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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone
Autoren: Andre Norton
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keine bessere Hilfe gefunden werden, falls es noch nicht zu spät war.
    Die Königin öffnete die Augen. Sie schlief immer sehr rasch ein und wachte ebenso schnell wieder auf. Roane nahm ihre beiden Hände in die ihren. »Ludorica!« rief sie leise.
    Ihr war, als dämmerte in den blauen Augen ein leises Verstehen und Erkennen. Nicht der Raum war es, sondern die Person, an der ihre Augen hingen. Die trockenen, aufgesprungenen Lippen teilten sich.
    »Roane?« Das war ein fast unhörbares Wispern. »Ja, ich bin Roane!« Das Mädchen von den fremden Sternen wußte, daß dies jetzt ein großer Fortschritt war. »Bleib …«, flüsterte Ludorica.
    »Ja, ich werde bleiben.« Schon schlief die Königin wieder. Aber Roane beobachtete sie jetzt erleichtert. Ihr Schlaf war jetzt nicht mehr eine tiefe Bewußtlosigkeit, sondern ein richtiger Schlaf der Gesundung.
    Eine der Damen kam, um Roane abzulösen. Die Tür stand weit offen, und sie fand Imfry im Raum nebenan. Er trug eine frische Uniform, und sein mageres Gesicht war rasiert. Sie wußte, daß er die sich selbst auferlegte Pflicht erfüllt und Ordnung in das Chaos gebracht hatte.
    »Dein Schiff war schon weg«, sagte er sofort. Zuerst dachte sie nur an die Königin, die nun auf wirksame Hilfe verzichten mußte. Erst dann kam ihr die volle Wahrheit zu Bewußtsein. Man hatte sie einfach zurückgelassen. Vielleicht hatte der Service beschlossen, niemals mehr auf diesen Planeten zurückzukehren.
    Sie griff nach einem Halt, denn in ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Aber ihre Hand wurde von einer anderen aufgefangen, die sie festhielt.
    »Verzeih«, bat er, und seine Stimme klang weich. »Das hätte ich dir nicht so grob sagen dürfen.«
    »Es macht nichts«, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. »Es war nicht anders zu erwarten. Sie wußten, daß sie entdeckt waren, und deshalb konnten sie mich nicht suchen. Vielleicht kommen sie niemals wieder. Aber Nelis, hör! Ludorica, die Königin, hat mich vor wenigen Minuten erkannt! Vielleicht bleibt sie uns auch ohne Hilfe erhalten.«
    »Bist du sicher, daß sie genesen wird?« Etwas in seiner Stimme veranlaßte Roane, ihm ihre Hand zu entziehen, doch er hielt sie fest.
    »Ich habe eine Pflicht zu erfüllen«, sagte er langsam, als sei das, was er ihr zu erklären habe, sehr schmerzlich für ihn. »Du hast doch gehört, wie sie mich als Verwandten, als Vetter bezeichnet hat. Es besteht wirklich ein Band zwischen uns …«
    Das wollte Roane nicht hören. Aber wie sollte sie dagegen protestieren?
    »Vor langer Zeit leistete ich meinem Vater einen Eid«, fuhr er fort. »Er hat immer mein Leben bestimmt. Unsere Herrscher heiraten aus Vernunft und zum Besten des eigenen Landes. Solche Ehen sind oft nur Formalitäten, um Erben zu zeugen.
    Unser König Niklas nahm die königliche Braut aus Vordain, die ihm seine Ratgeber empfahlen. Sein Herz hatte er aber einer anderen geschenkt. Solche Affären sind schmerzlich, und sie führen oft zu Krebsgeschwüren, wie Reddick eines war. Und das hat mein Vater nach meiner Geburt befürchtet.
    Meine Mutter war des Königs Tochter, wenn auch keine Prinzessin. Sie wollte nichts von ihrem Vater; sie lehnte sogar das ab, was er ihr mit Freuden gegeben hätte. Als sie meinen Vater ehelichte, verließ sie den Hof nur allzu gern.
    Sie wünschte, daß ich niemals etwas vom König verlangen dürfe, und das war auch der Wunsch meines Vaters. Ich war also nicht ein Angehöriger der königlichen Familie, obwohl ich mich als solchen hätte bezeichnen dürfen. Für mich ist Ludorica immer die Königin, der ich diene und die ich verehre. Ich schulde ihr meine Dienste, aber sonst gehe ich meine Wege, und sie folgt ihrer Bestimmung. Verstehst du das?«
    Roane nickte. Sie kannte sich mit ihren Gefühlen noch nicht recht aus; sie brauchte Zeit und Ruhe, um sich zurechtzufinden, denn sie mußte sich jetzt einem ganz neuen Leben stellen.
    »Und was ist mit dir? Dein Volk hat dich verlassen …«
    »Ja.«
    »Das denkst du nur. Die Wahrheit sieht anders aus.«
    Seine Stimme klang leidenschaftlich bewegt, aber Roane wagte nicht in sein Gesicht zu sehen. »Jene sind gegangen, Roane. Dein Volk aber ist hier! Du gehörst zu Reveny, als seist du zwischen seinen Hügeln geboren und in einem der Herrenhäuser aufgewachsen. Glaube mir das, Roane. Du mußt es glauben, denn es ist wahr!«
    Ihre Antwort war wie ein Schwur, den sie aus übervollem Herzen leistete:
    »Nelis, ich glaube es …«
     
    ENDE
     

 
    Als
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