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Die Eiskrone

Die Eiskrone

Titel: Die Eiskrone
Autoren: Andre Norton
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wurde schweigsam, sein Gesicht eine ausdruckslose Maske. Seine Späher berichteten laufend, und es ließ sich nicht daran zweifeln, daß es wirklich große Schwierigkeiten gab. Dreimal waren sie auf Flüchtlingsgruppen gestoßen, die sich in aller Eile aus der Stadt zurückgezogen hatten. Die Männer hatten die Frauen beschützt, die fast alle kleine Kinder in den Armen trugen, und sie hatten jeden Kontakt mit anderen, auch mit Imfrys Männern, abgelehnt. Zweimal hatten sie sogar Warnschüsse abgegeben, und ein paar von Imfrys Leuten hatte Verwundungen erlitten. Auch unter den Flüchtlingen gab es Verletzte. Roane, der das natürlich alles nicht entgehen konnte, war darüber zutiefst unglücklich. Zufall oder nicht – sie gab sich ganz persönlich die Schuld daran.
    Immer neue Männer stießen zu Imfrys Gruppe. Die Späher, die er ausgesandt hatte, brachten oder schickten Waldhüter, Wächter und sogar Männer aus den Garden der Edelleute. Jeden neuen Mann nahm sich Imfry selbst vor und versuchte aus dem, was er erzählte, sein Bild der Lage zu vervollständigen. Auch jetzt saß er am Tisch und hörte sich aufmerksam an, was ein Mann in Uniform ihm berichtete.
    Bis jetzt waren wenige Offiziere zu ihnen gestoßen, und die paar waren von niedrigem Rang, obwohl etliche den Kern ihrer Truppe mitgebracht hatten.
    »Dann kam der Aufruf«, sagte der Neuankömmling. »Major Emmick sprach mit diesem anderen Offizier im Wachraum. Wir hörten einen Schuß und mußten die Tür aufbrechen. Aber der Major war schon tot – glatt durch den Kopf geschossen. Dieser fremde Colonel redete etwas, der Major sei ein Verräter gewesen, aber das glaubten wir nicht, denn er rannte zur Wand und schlug immer seinen Kopf daran, bis er selbst halb tot war. Wir wußten jetzt nicht mehr, was wir tun sollten. Der Captain lag wie in einem Halbschlaf auf seinem Bett und lachte nur, als wir ihn nach Befehlen fragten. Sergeant Quantil ging also zu den Torposten und bestimmte, daß sie keinen Menschen einlassen dürften, bis vernünftige Nachrichten bei uns einliefen. Drei von uns schickte er aus, Mangron zum Westtor, Afran nach Balsay, und ich sollte unseren eigenen Colonel in Urkermark zu erreichen versuchen. Aber die Posten dort haben auch keinen eingelassen. Drinnen schien ein Kampf im Gang zu sein, und ich sah große Feuer. Dann traf ich auf Ihren Mann, Sir. Was er mir erzählte, hatte mehr Sinn als alles, was ich in den letzten Tagen gehört hatte. Also kam ich hierher.«
    »Und dieser Mann, der den Aufruf erließ, dieser Colonel – hast du den gekannt?«
    »Den habe ich noch nie vorher gesehen, Sir. Er trug ein königliches Emblem, einen schwarzen Forfalkopf mit offenem Maul und gegabelter Zunge, ein häßliches Ding, Sir. Später durchsuchte ihn der Sergeant nach Papieren, aber er hatte nichts bei sich außer dem Wisch, der auf dem Tisch lag. Der sah zwar echt aus, aber er war nicht mit dem Namenszug der Königin unterzeichnet. Es hieß da nur ›in des Königs Namen‹, und König Niklas ist jetzt schon seit Tagen tot. Das kam uns allen reichlich verrückt vor.«
    »In des Königs Namen …«, wiederholte Imfry nachdenklich. »In welchen Königs Namen?«
    Der Mann starrte Imfry entgeistert an und zog sich dann langsam vom Tisch zurück, als suche er einen Fluchtweg. Roane verstand die Reaktion. Er mußte glauben, daß auch Imfry verrückt geworden war.
    »Nein, Wächter, ich bin nicht verrückt. Ich habe allen Grund anzunehmen, daß jemand in der Umgebung der Königin in dieser Zeit allgemeiner Verwirrung die Macht an sich zu reißen versucht. Hat er das schon getan …«
    Der Mann schluckte. »Oh«, meinte er eifrig. »Jetzt verstehe ich. Das wäre eine Erklärung dafür, daß dieser Aufruf nicht unterzeichnet war. Ich habe keine Unterschrift gesehen, Sir. Ein Daumensiegel, ja, aber keine Unterschrift. Vielleicht war das der Grund, daß Sergeant Quantil so mißtrauisch wurde. In dem Wisch stand nämlich, daß der Major sofort das Kommando abzugeben habe, aber es war kein Name angegeben. Aber … Sir, wo ist die Königin?«
    »In Urkermark müßte sie eigentlich sein«, erklärte Imfry nachdrücklich. »Du sagst, die Stadt sei geschlossen?«
    »Alle Tore sind abgesperrt, verriegelt und bewacht, Sir, als wäre sie belagert.«
    »Wächter, wie lange würde man brauchen, um deinem Posten eine Nachricht zukommen zu lassen?«
    »Mit einem ausgeruhten Duocom könnte ich um Mitternacht dort sein, Sir.«
    »Gut. Du weißt, was du gesehen hast. Das
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