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Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger
Autoren: Hubert Haensel
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Haar, ließ seine Finger über ihre samtenen Wangen gleiten.
    »Ich kann ihn verstehen, mein Kind«, begann Lerreigen plötzlich. »In einer Zeit wie der unseren gibt es für Verliebte nur sehr wenig Platz. Du siehst all das Elend um uns herum. Heute gilt es deshalb, Abschied zu nehmen und zu kämpfen, aber morgen gibt es vielleicht ein Wiedersehen, so die Götter wollen.«
    Viliala schlang beide Arme um Lamirs Nacken und zog ihn zu sich heran. Ihre Lippen berührten die seinen in einem leidenschaftlichen Kuss. »Liebling«, hauchte sie, »versprich mir, dass du zurückkehrst, sobald du die Möglichkeit dazu hast.«
    Lamir löste sich sanft, doch nachdrücklich aus ihrer Umschlingung. Er sah den Schalk in Burunas Zügen und stimmte ein Lied an, das von den unsterblichen Täten längst vergangener Helden kündete.
    »Hier, nimm dies!« Viliala legte ihm ein goldenes Kettchen um den Hals. »Das Amulett soll dich schützen und stets an mich erinnern.«
    Lamir sah sie lange an, dann griff er nach einem vollen Becher Wein und leerte diesen in einem Zug. Daraufhin wurde ihm leichter zumute.
    Ein Krug machte die Runde. Bereits nach dem nächsten tiefen und hastigen Schluck glaubte der Barde zu fliegen, höher und höher den Wolken entgegen zu schweben. »Vi… Viliala«, murmelte er und schlug dazu die Saiten seiner Laute, als gelte es, einen Wettstreit zu gewinnen. Dass Buruna ihm heimlich den Becher wegziehen wollte, bemerkte er wohl. »Nein«, krächzte er. »Der bleibt hier!« Sein Blick bekam etwas Unstetes, Flatterhaftes. Vielleicht, weil die Königstochter sich anschmiegte.
    Lerreigen lachte. »Ihr sollt nicht mit leeren Händen ziehen«, verkündete er. »Die Drache von Leone, die euch zu einem der nächsten Häfen bringen wird, trägt kostbare Fracht. Geschmeide für dich, Buruna, und wertvolle Waffen, meisterhaft geschliffene Klingen.«
    Die dunkelhäutige Schönheit schüttelte den Kopf. »Das sind Dinge, die du dringender benötigst. Niemand weiß, ob am Ende unserer Reise Schmuck noch irgendeinen Wert besitzt.«
    »Nimm ihn«, beharrte der König, »und sieh es als Versuch an, einen kleinen Teil meiner Schuld abzutragen.«
    Bis der Schein des Mondes verblasste, tranken sie miteinander. Dann wankten sie zu dem wartenden Schiff. Lamir konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und nahm es hin, dass Buruna und Viliala ihn stützten.
    Erst viel später erinnerte er sich, dass die Königstochter seinetwegen Tränen vergoss .
    *
    Drudin trieb uns unbarmherzig vorwärts. Wir schliefen selten, und wenn, dann auf den Rücken unserer Pferde. Zum wiederholten Male fragte ich mich, woher die zotteligen Mammuts die ungeheuren Kräfte nahmen, den offensichtlich überaus schweren Wagen Tag und Nacht mit niemals erlahmenden Bewegungen zu ziehen. Wahrscheinlich war es Magie.
    Das Gelände wurde morastiger. Aus winzigen Erdspalten quollen schweflige Dämpfe, die das Atmen zur Qual machten. Meine Augen begannen zu tränen. Bald sah ich nur noch verschwommen, wohin ich ritt. Und wie mir erging es auch den Hunderten anderer Krieger. Ich hörte ihr Rufen, vernahm das Schnauben ihrer Pferde.
    Weiter, unaufhaltsam, einem unbekannten Ziel entgegen. Die Landschaft war mir fremd. Wo auf der Insel öffnete sich die Erde bis an die Pforten der Unterwelt?
    Aber vielleicht hatte ein fallender Himmelsstein alles verändert. Wir kamen an Bäumen vorbei, die ein mächtiger Sturm geknickt zu haben schien. Sie wiesen alle in dieselbe Richtung, und ihre Nadeln waren noch grün und zeigten keine Anzeichen beginnender Dürre.
    Bis an die Achsen versank der Wagen im aufgeweichten Boden. »Fasst mit an! Vorwärts, bewegt euch!«
    Ich erkannte Rhongor und Donahm in den beiden Priestern, die neben mich traten. Ich musste absitzen und bekam einen Platz am Ende des Wagens zugewiesen. Während der Schlamm sich schmatzend bis über meine Knie hochzog, stemmte ich mich mit aller Kraft gegen das Holz. Wie jeder andere auch gab ich mein Letztes. Unendlich langsam mahlten die Räder. Obwohl sie sich nur wenige Handbreit vorwärts bewegten, floss mir der Schweiß in Strömen über den Körper. Aber ich wagte nicht, in meinen Anstrengungen nachzulassen. Ein einziger Wink Drudins hätte genügt, mich zu töten.
    Jemand fluchte erbärmlich. An der Stimme erkannte ich Tramin.
    »Warum nutzen sie nicht ihre Magie, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen?«
    »Still!« zischte ich erschrocken. »Willst du dich um Kopf und Kragen bringen?« Die Priester mochten ihre
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