Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Gründe haben, wenn sie uns die Arbeit tun ließen.
    Wir kamen kaum voran. Weit vor uns war ein waberndes Glühen wie Wetterleuchten. Drudin lenkte die Mammuts darauf zu. Endlich wurde der Boden wieder fester. Ich zitterte, aber ich war erleichtert. Unmittelbar vor meinem Gesicht hing ein Zipfel des schwarzen Tuches. Und keiner der Priester befand sich in meiner Nähe. Ein wahnwitziger Gedanke schlug mich in seinen Bann. Im Lauf vieler Tage waren immer neue Gerüchte entstanden, was es mit dem verhüllten Stein für eine Bewandtnis habe. An mir lag es, das herauszufinden.
    Zögernd streckte ich eine Hand aus… Was konnte schon geschehen?
    Keiner von uns hatte den Stein jemals unverhüllt gesehen, wir hatten nur gehört, dass er schwarz sei wie die Nacht, wenn Wolken die Sterne verhüllten und der Mond nicht über den Rand der Welt heraufstieg. Barg er gar unermesslichen Reichtum, unvorstellbare Schätze?
    Mit einemmal fror ich, mein Arm wurde schwer. Die Welt um mich herum versank in Bedeutungslosigkeit; nur schattenhafte Umrisse drangen noch an meine Augen.
    Ich starrte das Tuch an, es bewegte sich leicht.
    Meine Finger wurden taub und gefühllos. Ich spürte meinen Arm bis hinauf zum Ellbogen nicht mehr. In jäh aufwallendem Entsetzen blickte ich auf den blutigen Stumpf, der von meiner Schulter herabbaumelte. Ich begriff nicht, was ich sah, hatte keine Schmerzen. Und doch fehlte meine rechte Hand.
    Schlagartig wurde mir klar, was ich getan hatte. Welch unermesslicher Frevel. Nie wieder würde ich ein Schwert führen können. Meine Beine versagten ihren Dienst, ich stürzte, schlug der Länge nach hin. Feuchtes, vom Tau benetztes Gras kühlte mein Gesicht. Ich schrie, bäumte mich auf gegen das Schicksal, das mich für immer zum Krüppel gemacht hatte. Was war das Leben nun wert für mich? Der Tod auf dem Schlachtfeld wäre wenigstens ehrenvoll gewesen.
    »Steh auf!«
    Vor mir stand einer der Priester. Ein fahles Leuchten schien ihn zu umspielen.
    »Töte mich, mein Leben ist verwirkt.« Ohne dass ich etwas daran ändern konnte, kamen diese Worte aus meinem Mund.
    »Du wirst nicht sterben, keiner von euch. Jedenfalls nicht in Tainnia. Und nun folge den anderen und fordere nicht Cherzoons Zorn heraus.« Der Priester deutete zum Horizont, wo der Lichtschein greller geworden war. »Dir ist nichts geschehen«, sagte er. »Aber hüte dich in Zukunft davor, dem Schwarzstein zu nahe zu kommen.«
    *
    Donnernd brachen sich die Fluten an den Stromschnellen, hoch spritzte das Wasser zwischen den Felsen auf. Das kleine Schiff gehorchte dem Ruder kaum noch.
    Ein hohles Klagen hallte über den Sarro.
    »Mögen die Götter uns beistehen!« rief einer der Krieger aus, und in seinem Gesicht zeichnete sich blankes Entsetzen ab. »Wer den Ruf der Flussgeister vernimmt, wird sterben.«
    Eine Mauer schien vor ihnen aufzuwachsen, scharfkantige Kliffe, die mühelos den Rumpf eines Schiffes aufschlitzen konnten. Die Drache von Leone schoss pfeilschnell darauf zu. Buruna schrie. Im allerletzten Moment erkannte sie die schmale Durchfahrt, die sich vor ihnen auftat. Weit holte das Schiff über; die Decksplanken ragten plötzlich schräg in den Himmel. Unmittelbar vor den Felsen hatte sich ein Strudel gebildet, dessen Gewalten die Drache herumwarfen. Holz schrammte mit grässlich kreischendem Geräusch über Stein.
    Buruna hatte das Gefühl, ihr Magen wolle sich umstülpen. Jeden Moment wartete sie auf den vernichtenden Aufprall und darauf, dass sie hilflos in den tosenden Fluten versinken würde. Ihre Gedanken weilten bei Mythor. Nie würde sie ihn wiedersehen, seine zärtlichen Hände auf ihrer Haut spüren…
    Eine riesige Welle schlug über ihr zusammen, nahm ihr den Atem und drohte sie mit sich zu reißen. Buruna streckte die Arme aus, um sich festzuklammern. Sie kämpfte dagegen an, dass all ihre Träume und Hoffnungen mit einem Schlag zunichte wurden.
    Dann war alles vorüber.
    Sie hörte wieder die Stimmen ihrer Begleiter; hinter ihr wurde das Tosen der Stromschnellen leiser. Die Drache von Leone trieb in ruhigerem Wasser dahin. Sie lag quer vor der Strömung, gehorchte dem Ruder nicht mehr. Schlingpflanzen hielten die Taue in festem Griff.
    Buruna wandte sich um und – erschrak. Ein düsteres Glimmen lag über dem Fluss. Zwischen den Klippen ragten schwarze Felsen auf, von denen eine deutlich spürbare Gefahr ausstrahlte.
    »Wir sollten den Göttern danken, dass wir noch leben«, hörte die Frau jemanden sagen. »Was immer es ist,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher