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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung
Autoren: Jonathan Stroud
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der Vorhalle auf und ab gehen. »Die Sache ist nur die, mein Freund, ich habe das Fahrrad von Marcus schon gesehen. Sein Vater hat es mir gezeigt, als ich dort war.«
    »Dann haben Sie ja selbst gesehen, dass -«
    »Es war an den Zaun angekettet, ein ganz normales, funktionstüchtiges Fahrrad. Der Lenker war etwas verbogen, aber das ist nicht weiter erstaunlich. Dein Freund Marcus scheint ein ziemlich temperamentvoller Radfahrer zu sein, der häufig gerade noch mit einem blauen Auge davonkommt. Wie es auch vor ein paar Tagen der Fall war.«
    »Wollen Sie etwa sagen, dass -«
    »Er ist auf dem Eis ausgerutscht, als er zu schnell um die Ecke bog, und direkt in ein parkendes Auto geschlittert. Muss sich sein Gesicht ziemlich übel zugerichtet haben, wenn ich das richtig verstanden habe.«
    »Sein Vater hat Ihnen das erzählt! Und Sie glauben ihm natürlich!« Simons Stimme überschlug sich vor lauter Wut und Empörung.
    »Ich bin mir sicher, wir könnten dafür Zeugen finden, wenn es drauf ankäme. Es ist auf einer der Straßen passiert, die zum Marktplatz von King’s Lynn führen, da waren auch andere Leute unterwegs. Erst vor ein paar Tagen. Er hatte Glück, dass er nicht in die Notaufnahme musste.«
    Der Polizist schien abzuwarten, ob Simon darauf etwas sagen würde. Emily spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals klopfte. Lügen! Alles Lügen!
    »Und es ist nicht das erste Mal, dass Marcus aus Leichtsinn einen Unfall gebaut hat«, fuhr der Polizist fort. »Wir sind schon früher auf ihn aufmerksam geworden. Er treibt sich ständig ohne Erlaubnis seines Vaters herum und er hat sich schon oft verletzt, mal gefährlicher, mal weniger gefährlich. Kein Wunder, dass sein Vater das Fahrrad mit einem dicken Schloss abgesperrt hat und seinem Sohn solche Ausflüge verboten hat, aber das hat Marcus nicht aufhalten können. Er ist einfach abgehauen, auch ohne Fahrrad.«
    »Ich glaub Ihnen das alles nicht«, sagte Simon, aber seine Stimme klang blechern und hohl, als sei er selbst nicht recht davon überzeugt.
    »Spielt jetzt keine große Rolle mehr, was du glaubst oder nicht glaubst. Wenn du schlau genug gewesen wärst, rechtzeitig zu uns Kontakt aufzunehmen, dann hätte dieser ganze Schlamassel vermieden werden können. Dein Freund Marcus ist ein intelligentes Bürschchen, er erfindet keine Geschichten, die völlig unwahrscheinlich klingen, deshalb ist es kein Wunder, dass du darauf reingefallen bist. – Na endlich. Da sind Sie ja, Thomson. Wo haben Sie denn so lange gesteckt?«
    »Entschuldigung, Sir. Hab mich etwas verlaufen.«
    » Tatsächlich ,Thomson. Na gut. Hier ist der Kandidat, nehmen Sie ihn mit. Ich glaube nicht, dass er Ihnen irgendwelchen Ärger machen wird. Das wirst du doch nicht, mein Freund?«
    »Nein.« Simons Stimme war kaum hörbar.
    »Nein. Irgendwelche Neuigkeiten von den Suchscheinwerfern, Thomson?«
    »Sind auf dem Weg, Sir.«
    »Gut, dann gehen Sie.«
    Zwei Paar Schritte marschierten davon. Ein drittes Paar blieb in der Vorhalle zurück und ging dort auf und ab. Emily hörte das Funkgerät knistern und den Mann etwas hineinsprechen, aber es kam ihr alles wie im Traum vor. Sie sah Simon vor sich, wie er die Treppe hinuntergeführt wurde, sie sah den Ausdruck auf seinem Gesicht. Sie stellte sich vor, was jetzt in seinem Kopf vorging. Und während sie das tat, hämmerten ununterbrochen die Worte des Polizisten in ihrem Schädel. Auf dem Eis ausgerutscht; sein Gesicht ziemlich übel zugerichtet … Ein paar Augenblicke lang zweifelte sie. Plötzlich schienen Tatsachen, die bisher fest und unverrückbar waren, auf schwankendem Boden zu stehen; sie fingen an, ihr zu entgleiten. Simon und sie hatten den Erzählungen von Marcus geglaubt. Hatte er vielleicht -?
    Nein. Emily schüttelte ihre Zweifel ab. Natürlich würde der Vater mit einer solchen Geschichte ankommen, natürlich würde er irgendwelche Lügen erfinden, um die Polizei auf seine Seite zu ziehen. Und natürlich waren sie alle darauf hereingefallen, was für Idioten. Es hatte überhaupt keinen Sinn, sie von etwas anderem überzeugen zu wollen.
    Marcus hatte recht gehabt davonzurennen. Sie konnte nur noch hoffen, dass es ihr in der Dunkelheit gelingen würde, von der Burg zu fliehen. Und dass es Marcus auch gelang.
    Ein unbekanntes Paar Stiefel kam an der Türöffnung vorbei. Reflexartig rutschte Emily noch tiefer in ihr Versteck.
    »Kein Erfolg, Hatchard?«
    »Nein, Sir. Keiner mehr im Kamin. Wir haben alle Ecken abgesucht. Bin mir ziemlich sicher,
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