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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.
Autoren: Alan Sillitoe
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zu Ende ging, hab ich mir nicht viel Gedanken gemacht, sondern bin bloß durch die Straßen gebummelt - mich nach einer Stelle umsehn, hab ich Mama gesagt -, vermutlich in der stillen Hoffnung, daß mir noch fünfhundert Mäuse zwischen die Finger kommen, damit das schöne Leben, das wir jetzt gewohnt waren, für immer und ewig weitergehn konnte. Denn es ist ganz erstaunlich, wie schnell man sich an ein andres Leben gewöhnt. Vor allem hat uns die Reklame im Fernsehn gezeigt, daß es viel mehr auf der Welt zu kaufen gibt, als wir uns je hatten träumen lassen, wenn wir uns bloß Schaufenster anguckten, aber nicht alles sahn, was es zu sehn gab, weil wir ja sowieso kein Geld hatten, was zu kaufen. Und dann wirkten die Sachen im Fernsehn alle zwanzigmal besser, als sie uns je vorgekommen waren. Sogar die Kinoreklame war dagegen lahm und zahm, weil wir jetzt alles für uns zu Hause sahn. Früher haben wir die Nase über die Sachen gerümpft, die in den Geschäften regungslos rumstanden, aber auf einmal erkannten wir, was sie wirklich wert waren, weil sie über den Bildschirm hüpften und glitzerten und irgendein Teiggesicht von Nutte Hals über Kopf losstürzte, um ihre rotpolierten Klauen draufzulegen oder ihre Lippenstiftlippen draufzudrücken, nicht wie die Scheißplakate oder Zeitungsannoncen, so tot und starr; die hier flatterten frei herum, halboffene Packungen und Büchsen, die dich glauben lassen, du brauchst nur noch fertig zu öffnen, und es gehört dir, wie wenn man durchs Schaufenster einen offenen Safe sieht, und der Mann ist eine Tasse Tee trinken gegangen und vergißt, auf den Zaster aufzupassen. Die Filme, die sie zeigten, waren sozusagen auch ganz gut, denn wir konnten unsre Augen nicht von den Bullen losreißen, die ein paar Einbrecher verfolgten, und die hatten Büchertaschen voller Hartgeld, und es schien so, als ob sie damit davonkommen würden, um sich daran gütlich zu tun - bis zum letzten Moment. Ich hab immer gehofft, sie würden am Ende doch noch entwischen, um alles verbraten zu können, und ich wollte andauernd meine Hand ausstrecken, in die Scheibe krachen (sie sah bloß ein bißchen wie die Leinwand im Kino aus) und den Bullen in den Halbnelson nehmen, damit er den Burschen mit den Geldtaschen nicht weiter verfolgen kann. Selbst wenn der ein paar Bankbeamte umgelegt hatte, hoffte ich noch, daß er nicht geschnappt werde. Tatsächlich hab ich's dann mehr als sonst gewünscht, denn das hätte für ihn ja den heißen Stuhl bedeutet, falls er geschnappt wird, und den wünsch ich keinem Menschen, egal, was er gemacht hat, weil ich nämlich in einem Buch gelesen hab, daß man auf dem heißen Stuhl eben gar nicht sofort tot ist, sondern daß man einfach dasitzt und zu Tode geschmort wird, bis man tot ist. Und wie diese Bullen den Gaunern hinterher waren, da haben wir mit dem Fernseher ein paar schöne Mätzchen gemacht, nämlich wenn einer von ihnen das große Maul aufriß, um große Töne zu spucken, daß sie zugreifen wollten, habe ich den Ton weggedreht, und wir sahn ihn nur den Mund wie ein Goldfisch oder eine Makrele oder Elritze auf und zu klappen und bloß mimen statt richtig sprechen - das war so komisch, daß die ganze Familie auf dem nagelneuen Teppich, der noch nicht bis ins Schlafzimmer rauf gekommen war, beinahe die Krämpfe gekriegt hätt. Das schönste vom Ganzen aber war, wie wir das mit irgendeinem Tory gemacht haben, der uns was erzählte, wie gut die Tories in Zukunft regieren würden, wenn wir weiter für sie stimmen - ihre schlaffen Mäuler mahlten, gingen auf und verzogen sich großkotzig, Hände kamen hoch, zupften an Schnurrbärten und fummelten an Knopflöchern rum, um festzustellen, ob die Blume noch nicht verwelkt ist, woran man merkte, daß sie nicht ein Wort ernst meinten, besonders weil keine Silbe rauskam, denn wir hatten den Ton weggenommen. Als der Direktor der Anstalt zum erstenmal mit mir sprach, hab ich so sehr daran zurückdenken müssen, daß ich fast dabei draufgegangen wäre, weil ich mir das Lachen verkneifen mußte. Jawohl, wir haben so viele Kunststücke mit dem Zauberkasten gemacht, daß uns Mama dann die Fernseh-Boys nannte, so hatten wir das raus.

      Mein Freund Mike kam mit Bewährung davon, weil es sein erstes Ding war - jedenfalls das erste, von dem die was wußten - und weil sie sagten, er hätt's nie getan, wenn ich ihn nicht dazu angestiftet hätt. Sie sagten, ich sei eine Gefahr für ehrliche Burschen wie Mike - mit seinen Händen in den
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