Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.
Autoren: Alan Sillitoe
Vom Netzwerk:
im Niemandsland von Borstal in der Falle saßen, Berichten, die lauter waren als alle deutschen Bomben. Kriege der Regierung sind nicht meine Kriege; die haben nichts mit mir zu tun, denn mein eigner Krieg ist alles, worum ich mich je sorgen werde. Ich weiß noch, wie ich vierzehn war, da hab ich mal mit drei Vettern einen Ausflug ins Grüne gemacht, alle ungefähr in meinem Alter; später kamen sie in verschiedene Borstals und dann in verschiedene Regimenter, von wo sie bald desertiert sind, und dann in verschiedene Gefängnisse, wo sie immer noch stecken, soviel ich weiß. Jedenfalls waren wir damals alle noch Kinder und wollten den einen Sommer zur Abwechslung mal raus in den Wald, weg von den heißen, stinkenden Teerstraßen. Wir kletterten über Zäune und liefen über Felder, klauten unterwegs ein paar saure Äpfel, bis wir ungefähr eine Meile weg den Wald sahn. Collier's Pad rauf hörten wir hinter einer Hecke einen Haufen andrer Kinder, ihrem Reden nach Oberschüler. Wir schlichen näher ran zu ihnen, luchsten durch die Brombeersträucher und sahn, daß sie Picknick machten und aßen, ein richtiges stinkvornehmes Gelage mit Handtüchern, Körben und Flaschen. Es müssen ungefähr sieben gewesen sein, Jungen und Mädchen, die die Muttis und Vatis für den Nachmittag spazieren geschickt hatten. Da sind wir wie Krokodile auf dem Bauch durch die Hecke gekrochen und haben sie umzingelt, und dann sprangen wir los, mitten rein, schlugen das Feuer auseinander, verteilten ein paar Schläge und schnappten uns alle vorhandenen Fressalien, rannten dann weg über die Felder von Cherry Orchard in den Wald, wobei ein Mann hinter uns her war, der gerade vorbeigekommen war, wie wir das Picknick plünderten. Wir sind gut davongekommen und hatten außerdem noch eine gute Mahlzeit, denn wir hatten Kohldampf bis da hinaus und konnten es kaum erwarten, unsre Hauer in den zarten Salat und die Schinkenbrote und Kremtorten zu schlagen.

    Also, ich werde mich jeden Augenblick meines Lebens immer so fühlen, wie sich die dämlichen Gören hätten fühlen sollen, bevor wir sie auseinanderjagten. Aber es fiel ihnen im Traume nicht ein, daß das, was passiert ist, passieren würde, genau wie der Direktor von diesem Borstal hier, der große Töne spuckt über Ehrlichkeit und das ganze verlogene Zeug, keine blasse Ahnung von irgendwas hat, wohingegen ich mir jede Minute meines Lebens bewußt bin, daß wahrscheinlich immer ein Bonzenstiefel bloß drauf lauert, jedes hübsche Picknick, das ich vielleicht vor Dämlichkeit und Unehrlichkeit für mich machen könnte, niederzutrampeln. Ich gebe zu, daß ich manchmal dran gedacht habe, dem Direktor alles zu erzählen, damit er gewarnt ist, aber wenn ich drauf und dran war und er dann vor mir stand, hab ich mir's anders überlegt und gedacht, soll er von selber dahinterkommen oder wie ich erst durch harte Erfahrung dazulernen. Hartherzig bin ich nicht (zu meiner Zeit hab ich tatsächlich ein paar Kerlen vereinzelt mit einem Pfund, einer Lüge, einer Zigarette oder einem Dach überm Kopf ausgeholfen, wenn sie hinter ihnen her waren), aber ich wär ja bescheuert, wenn ich es drauf ankommen ließe, eingebuchtet zu werden, bloß weil ich dem Direktor einen Rat geben will, den er nicht verdient. Wenn mein Herz weich ist, da weiß ich schon, für welche Art Leute ich mir das aufhebe. Und kein Rat, den ich dem Direktor gebe, würde ihm auch nur das geringste nutzen; er würde bloß noch eher stolpern, als wenn er überhaupt nichts erfährt, was vermutlich genau das ist, was ich will. Aber im Augenblick laß ich die Sache erst mal so laufen, und das ist auch was, was ich in den letzten ein, zwei Jahren dazugelernt hab. (Das Gute ist, daß ich diese Dinge nur genauso schnell durchdenken kann, wie ich mit diesem Stummel von Bleistift schreibe, den ich in der Pfote halte, sonst hält ich mit der ganzen Sache schon vor Wochen Schluß gemacht.)
      Um die Zeit, da ich die halbe Morgenstrecke hinter mir habe, wenn ich nach der frostkalten Dämmerung ein stumpfes bißchen Sonnenlicht an den kahlen Buchen- und Bergahornzweigen hängen seh und ich an der Abkürzung die steile buschige Böschung runter auf den Hohlweg genau die Hälfte habe, wenn immer noch keine Menschenseele zu sehn und kein Laut zu hören ist, außer dem Wiehern des Scheckenfohlens in einem Katenstall, den ich nicht sehn kann, da komm ich auf die allertiefsten und alleralbernsten Gedanken. Der Direktor würde einen Anfall kriegen, wenn er säh,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher