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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter
Autoren: James Morrow
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Vater ein zweites, wohlverdientes Kreuz zu tragen, das Phantomauge, das ihm die Pflichten eines Gläubigen offenbarte. Züchtige diese Samenbank, Billy Milk, entferne sie aus meiner Schöpfung, auch wenn… auch wenn da ein beleuchtetes Fenster im zweiten Stock ist?
    Ja…
    Billy drückte auf den Knopf.
    Wie das schweigende Flüstern eines Seraphs sprang das Funksignal vom Steuerhaus zum Institut. Die donnernde Explosion erfüllte die Nacht majestätisch mit Druckwellen und, wenn Billy richtig gehört hatte, mit anerkennenden Ovationen von oben. Das Phantomauge zeigte ihm die wunderbaren Früchte seines Tuns; wie die Playboy- Bilder und Penthouse- Briefeflammend zerbarsten, der verdorbene Samen verdampfte. Die Eingeweide des Gebäudes, die Schläuche, Leitungen, Röhren und Tragbalken prasselten als unidentifizierbare geschmolzene Massen vom Himmel. Aufgabe ausgeführt! Gomorrha ausgelöscht! Sodom erschlagen!
    Die Dornen auf dem Weg eines Apokalyptikers stachen nicht allein seine Füße; nein, manchmal schnitten sie in seine Stirn, und manchmal zerschlitzten sie die Augenklappe und nisteten sich in seinem Kopf ein. Billy entschloß sich nicht aus Schuldgefühl, den Schutt zu inspizieren – ein Kreuzzug war kein Verbrechen –, sondern: wenn du auch den Willen Gottes erfüllt hast, bist du dennoch verpflichtet, wen auch immer von den Folgen zu erlösen. Er marschierte den Kai entlang, sprang dann auf den Sand hinunter, spürte auf den glattrasierten Wangen die Hitzewellen der brennenden Klinik. Er zog den Schaffellmantel aus, nahm ihn über die Schulter wie ein leichtes Kreuz. Millionen Ascheflocken trieben in der Luft.
    Der Schwarze saß aufrecht. Eingekreist von verkohlten Mauertrümmern, die sich wie Grabsteine aus dem Sand erhoben. Seine Körperhaltung war mehr als seltsam. War er in den Boden gerammt worden? Oder…
    Billy hatte eine flammende Vision: das apokryphe Buch Daniel. Die lüsternen Greise, die Susanna eines jungen Liebhabers bezichtigten… ihre schamlose Tücke… Daniel verlangte, sie in Stücke zu schneiden.
    Ein scharfes Mauerbruchstück hatte den Rumpf des Schwarzen durchschlagen, zweigeteilt und gleichzeitig die Wunde abgeklemmt, den Torso versiegelt wie ein Stück Ravioli.
    »Bist du ein Spender?« fragte Billy. Welch entsetzliche Dinge mußten Gottes Diener anschauen! ›Denn der Engel Gottes hatte Befehl, sie in Stücke zu schneiden.‹ zitierte Billy düster. Die Leute hatten von Engeln falsche Vorstellungen. Engel waren keine androgynen lautespielenden Chorknaben mit Flügeln. Engel erfüllten Gottes Strafgericht.
    »Gahhh…« Der Mund ging auf und zu wie bei einem Barsch. Verzerrte Artikulation, aber es klang eindeutig nach ja.
    »Warst du da beteiligt, Bruder?«
    Der beißende Rauch trieb Tränen in Billys gesundes Auge. Das Feuer brüllte wie der rote Drachen der Offenbarung.
    »Urggg…« Der Sünder entdeckte seinen gespaltenen Körper mit ungläubigem Entsetzen. Er verlor nur ganz wenig Blut: saubere Verstümmelung. Er nickte.
    »Eine harte Lektion.«
    »Nie… zuvor… passiert…« Tränen rollten über die dunklen Wangen.
    »Der Heiland erwartet, daß du den Glauben annimmst, Bruder.«
    Nun öffnete sich der Spender. Sein Gesicht zeigte Erleichterung, als die heftige Blutung begann. Außen sündiges Fleisch, nun ergoß sich der sündige Dickdarm, die sündige Leber. Hatte er Jesus gefunden? Es schien so – Billy konnte es fühlen: der Spender hatte seinen Samen verloren und seine Seele gerettet.
    Ein widerwärtiger Gestank erfüllte die Luft, als die Gedärme des Geretteten ihren Inhalt freigaben. Plötzlich war er tot.
     
    Marcus Bass hat recht, dachte Murray, als er den Saab die Ventnor Avenue hinunter steuerte, du weißt nicht, daß du bestimmte Dinge haben willst, bis sie dir gehören. Neben ihm schlief der Zellhaufen, die Ektogenesemaschine hatte er mit dem Sicherheitsgurt angeschnallt. Er pfiff ein Fiddler on the Roof-Medley. ›Wenn ich einmal reich wär…‹ Er schlug fröhlich die Hand aufs Lenkrad. Inverse Parthogenese war ganz wunderbar; wie Musik, wie eine Eingebung, wie ein Kuß Gottes.
    Es begann zu regnen. Murray schaltete die Wischer ein. Die Blätter verschmierten den Dreck auf der Windschutzscheibe zu häßlichen Streifen. Es war ihm egal. Der herrliche Tag versetzte ihn in Hochstimmung, brachte freundliche Erinnerungen, die sich wie Lichtstrahlen im glockenförmigen Glas neben ihm brachen. Normale Babynahrung, hatte Dr. Bass doch gesagt? Ja, ja, sollte nur
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