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Die Ehre der Am'churi (German Edition)

Die Ehre der Am'churi (German Edition)

Titel: Die Ehre der Am'churi (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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das?
    „Verzeiht“, fuhr Meister Tamu fort und verneigte sich tief vor Ni’yo, „was auch immer Euch hierher führte, werter Ashin, ich muss es Euch verweigern. Womöglich hat Meister Jivvin vergessen, dass Besucher des Tempels im Haupthaus zu warten haben, selbst, wenn ihr Anliegen sehr dringend sein sollte. Großmeister Leruam ist nicht in der Verfassung, Euch zu empfangen. Bitte, lasst Euch von Meister Jivvin zum Haupthaus führen. Großmeister Orophin wird sich, sobald er abkömmlich ist, Eurem Anliegen widmen.“
    Sprachlos starrte Jivvin Tamu an. War der Großmeister plötzlich blind geworden? Ni’yo hingegen fasste sich recht schnell.
    „Meister, Ihr kennt mich. Bitte, ich muss zu ihm, wenn es irgendwie möglich ist“, sagte er, und blickte offen in Tamus Gesicht.
    Der wischte sich verblüfft über die Augen. „Ni’yo? Aber …“ Er stockte, blickte über die Schulter auf die geschlossene Tür. „Jetzt verstehe ich. Geht hinein, alle beide. Erschreckt nicht, Leruam hat sich ebenso verändert wie du, Ni’yo.“ Ein Schatten legte sich auf das freundliche Gesicht des hünenhaften Am’churi. Still trat er zur Seite und ließ sie eintreten.
     
    Der Raum war dunkel, es roch nach Krankheit und Verfall. Besorgt traten Ni’yo und Jivvin an das Bett heran, in dem Leruam lag. Eine einzelne Kerze spendete Licht.
    Der Meister aller Meister war kaum wieder zu erkennen. Fort war der vom Alter ungebeugte, vor Leben und Kraft sprühende Mann. Ein uralter Greis lag dort und wartete friedlich auf den Tod.
    Er blinzelte, als sie sich links und rechts von ihm niederließen, und streckte die knorrigen, zitternden Hände nach ihnen aus.
    „Ich habe auf euch gewartet“, sagte er lächelnd. Es war ein warmes, fröhliches Lächeln, das den gesamten Raum erhellte. „Gut, dass ihr euch beeilt habt. Meine Aufgabe in dieser Welt ist erfüllt, Am’chur hat seinen Segen von mir genommen. Er hält mich gerade noch lange genug, dass ich euch den Weg in eure Zukunft weisen kann, danach ist meine Zeit abgelaufen.“ Er griff nach Ni’yos Hand, drückte sie mit überraschender Kraft.
    „Du warst meine Aufgabe, wie du weißt, Ni’yo, sonst wäre ich schon vor über einem Jahrzehnt in die nächste Welt gegangen. Am’chur hatte mich ausersehen, über dich zu wachen und alles zu tun, um dich im Kampf gegen den Schatten der Elfen zu unterstützen. Dich vor dir selbst und die Welt vor dir zu beschützen.“ Leruam blickte zu Jivvin, lächelte ihm voller Stolz und Anerkennung zu. „Und auch du warst meine Aufgabe, ich sollte dich zu wahrer Größe führen. Du solltest derjenige sein, der Ni’yo auf dem Ehrenweg der Am’churi bezwingen und töten kann, falls es notwendig sein würde. Für sehr lange Zeit haben weder Am’chur selbst noch ich eine Möglichkeit gesehen, Ni’yo wirklich zu helfen.“
    Der alte Mann schwieg, schloss erschöpft die Augen. Ni’yo beugte sich besorgt vor und sagte:
    „Meister, was ist geschehen?“
    „Du hast den Schatten in dir überwunden. Wahrscheinlich weißt du es nicht, aber du leuchtest wie ein Stern, aus dem Inneren heraus. Du hast dich dem Leben zugewandt und Liebe gefunden, was niemand zu hoffen gewagt hatte … Der vernichtende Zorn, der in dir war, du wirst ihn nicht mehr finden. Es sei denn, du selbst wirst ihn eines Tages suchen und wieder erwecken. Ich war verdammt zu warten. Zu warten, ob Jivvin sich an seine Ehre hält, zu warten, ob du, Ni’yo, dich selbst in höchster Not weigern würdest, ihn zu töten. Ich hatte Angst um euch beide. Doch ihr habt mir gezeigt, dass ihr wahrhaftige Krieger geworden seid, auf die ich stolz bin.“
    Er lächelte ihnen verschmitzt zu. „Am’chur zeigte mir, was geschehen ist. Ich war dabei, als Ni’yo den Wasserfall bezwang. Ich war dabei, als Jivvin entdeckte, dass Liebe niemals unmöglich ist, egal, wie widrig die Umstände sind. Liebe allein aber reicht nicht, um solch tiefen Hass und Schmerz zu überwinden, wie du es erfahren hast, Ni’yo – du musstest dich freiwillig dafür entscheiden. Niemand hatte geglaubt, dass du dazu fähig sein könntest, da du so jung warst, als du deine Familie verloren hast und auf einsame, schmerzhafte Weise aufwachsen musstest. Noch viel weniger hätten wir gedacht, dass du, Jivvin, deinen Hass überwinden könntest. Ich bin so froh, dass ich mich geirrt habe!“
    Leruam drückte ihrer beider Hände und strahlte sie an.
    „Am’chur lässt mich gehen. Meine Aufgabe ist erfüllt, ihr beide dürft nun eurem
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