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Die Ehre der Am'churi (German Edition)

Die Ehre der Am'churi (German Edition)

Titel: Die Ehre der Am'churi (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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ja auch aus wie ein Hochländer.“
    „Er stammt von hier, und er hat zahlreiche Geschwister, wie er erzählte. Von einer Yumari sagte er nichts, aber er hat auch nicht alle Namen genannt.“
    „Früher hieß ich anders“, murmelte die Schmiedin. „Ist `ne lange Geschichte, hat was damit zu tun, warum ich hier alleine lebe und einen für Frauen etwas ungewöhnlichen Beruf habe. Und, ja, wahrscheinlich erinnert er sich nicht mal an mich. Wir haben nicht gerade Tür an Tür gewohnt. Hör zu, sag es ihm nicht, ja? Ich war neugierig, das ist alles. Dachte, er wäre tot oder so.“
    „Lebt seine Familie denn noch?“, wagte Ni’yo zu fragen, unsicher, ob das nicht vielleicht unhöflich war. „Jivvin hat nach ihnen gesucht, fand aber alles von einem Erdbeben verwüstet vor.“
    „Die Eltern sind wohl tot, aber von den Geschwistern müssten noch ein paar leben. Sind weggezogen, ich weiß nichts darüber. Du sagst ihm aber nichts, oder?“
    „Nein“, schüttelte Ni’yo hastig den Kopf, und genoss das völlig neuartige Gefühl, sich vor dem drohenden Blick eines anderen Menschen zu fürchten. „Keinen Laut, ich schwöre es. Sicher ist es besser so, wenn Jivvin sich keine falschen Hoffnungen macht.“
    „Sag mal, was ist das mit euch beiden?“, wechselte Yumari plötzlich das Thema und grinste anzüglich.
    „Was meinst du?“
    „Ihr scheint euch recht nahe zu stehen.“
    „Neunzehn Jahre intensive Feindschaft, Yumari“, sagte in diesem Moment Jivvin von der Tür aus, und rette Ni’yo davor, in hoffnungsloser Verlegenheit zu erröten. Er war es einfach nicht gewöhnt, mit anderen Menschen ein normales Gespräch zu führen, es fiel ihm schon schwer genug, nicht ständig den Blick abzuwenden und den Kopf gesenkt zu halten.
    Am’chur, es ist anstrengend, nicht gehasst zu werden, das hätte ich wirklich nicht gedacht!
    „Feinde? Ihr benehmt euch nicht wie Feinde.“
    „Wir haben Waffenstillstand“, erklärte Jivvin spöttisch lächelnd. „Zwar eigentlich nur so lange, bis wir die Fessel los sind, aber wir werden Rücksicht auf deine Möbel nehmen und uns erst wieder bekämpfen, wenn wir Kauro verlassen haben.“
    „Nun gut“, lachte Yumari, „wenn ihr bitte Rücksicht auf meine Nerven nehmen mögt und alle anderen Arten von, hm, Auseinandersetzungen lautlos durchführen könntet, während ihr hier seid, wäre ich dankbar.“ Sie scherzten noch eine Weile miteinander, dann wollte Yumari schlafen gehen und schickte die beiden Am’churi in ihre Kammer, die sich direkt unter dem Dach befand. Sie mussten eine Leiter hinaufklettern und durch eine winzige Luke steigen. Die Leiter nahm Yumari fort für die Nacht, da sie ausgemacht hatten, die Anwesenheit der beiden Krieger möglichst geheim zu halten – man wusste ja nie.
    Es war dunkel und eng in dem Raum, ein wenig zugig, insgesamt aber recht warm, da die Hitze des Kaminfeuers bis hier hinauf stieg. Schon bald waren sie beide froh, dass sie nicht in der Wohnstube schlafen mussten, denn es war nicht zu überhören, dass Yumari nicht nur wie ein Mann schmieden konnte, sondern auch wie mindestens drei Männer schnarchte.
    Jivvin zog seinen Gefährten besitzergreifend in die Arme.
    „Kannst du lautlos sein?“, fragte er und knabberte dabei zärtlich an Ni’yos Schulter.
    „Möglich, dass ich mich dabei selbst ersticke, aber ja, ich kann es.“
    „Dann lass es uns versuchen. Immerhin müssen wir feiern, dass wir endlich frei sind, nicht wahr?“
    Stumm gab sich Ni’yo den kundigen Händen hin, die seinen Körper entflammten, und feierte die Freiheit, die Liebe und das Leben. Noch immer wagte er es nicht zu hoffen, verstand nicht, wie es geschehen sein konnte, aber es schien wahrhaftig, als wäre ihm Glück vergönnt.

26.
     
    Es dauerte zwei volle Tage, bis der Sturm sich legte. Tagsüber verbargen sich die beiden Am’churi in der Dachkammer, denn mehrmals kamen Dorfbewohner ins Haus. Sie nutzten die Zeit intensiv miteinander, auf jede nur denkbare Weise, sodass für Langeweile kein Platz war. Abends weihten sie Yumari in das eine oder andere Geheimnis der Schmiedekunst ein, ließen sich aber auch von ihr belehren, unterhielten sich über vielerlei anderes, was ihnen in den Sinn kam, zeigten mit Messerspielen, dass sie nicht nur wahrhaftig Am’churi waren, sondern dazu keinerlei Angst vor Verletzungen kannten. Es fielen ihnen allen drei schwer, Abschied zu nehmen.
    „Wenn ihr irgendwann mal wieder in der Nähe seid, kommt vorbei“, bat sie. „Ist nicht
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