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Die Edda - Die Edda

Titel: Die Edda - Die Edda
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Nr. 42, 38, 39, 40 und 33), und im weiteren Umkreis gehören hierher auch die daran anschließenden »Gudrunlieder« und ähnliche Texte (unsere Nr. 43, 36, 47, 44, 46 und 48). Die zwei
nächsten Lieder (unsere Nr. 34 und 37) haben den Burgundenuntergang zum Inhalt, und am Ende stehen zwei Lieder über den Tod des Ermanarich (Nr. 45 und 35). Zunächst fällt auf, daß im Codex Regius vor allem am Anfang des Heldenliedteils die Lieder nicht die Namen tragen, mit denen wir sie meist bezeichnen und wie es bei den Götterliedern der Fall ist; die Lieder Reginsmál, Fáfnismál und Sigrdrífomál (in dieser Ausgabe Nr. 38, 39 und 40) sind nicht einmal deutlich voneinander abgehoben, sondern gehen ineinander über. Charakteristisch für die Heldenlieder im Codex Regius ist jedoch, daß sie miteinander genealogisch verbunden sind: Helgi der Hundingstöter ist der Halbbruder von Sigurd, die Sigurddichtungen werden mit den Dichtungen vom Burgundenuntergang durch die Person der Gudrun verbunden; sie, die Witwe Siegfrieds, heiratet Atli den Hunnenkönig, und dies ist auch in der deutschen Nibelungenüberlieferung der Fall. Gudrun bildet auch das Bindeglied zu »Gudruns Sterbelied« (Nr. 45) und dem »Alten Hamdirlied« (Nr. 35), so daß alle genealogisch miteinander verbunden sind. Mehrere der Heldenlieder im Codex Regius, vor allem im Anfang des Heldenliedteiles, enthalten viele Prosastellen, manchmal machen sie den Eindruck, als wechselten hier Prosaabschnitte mit Strophen ab. Durch den Versuch, alle Heldenlieder im Codex Regius zu verknüpfen, entsteht auf längere Strecken eine fortlaufende Handlung - ganz anders als im Götterliedteil: Während dort die Lieder systematisch geordnet sind, werden die Heldenlieder chronologisch aneinandergereiht, und wenn man den Götterliedteil nach Gustaf Lindblad als »Liedersammlung« bezeichnen kann, so bilden die Heldenlieder einen Liederzyklus, ja vielleicht sogar eine »Familiensaga in Versen«.
    Diese Struktur der Liedersammlung Edda wurde zu der Zeit, als Genzmer seine Übersetzungen schuf, nicht so deutlich
gesehen wie heute. Auf diese Weise spiegelt auch die Übersetzung von Genzmer ein gutes Stück der Geschichte der Edda -Forschung überhaupt wider. Man muß zugeben, daß die Anordnung der Texte und die Auflösung bestimmter Lieder in vermeintlich ältere Einheiten den Blick auf die Edda als Ganzes erschweren. Andererseits ist es Genzmers großes Verdienst, ein Textcorpus geschaffen zu haben, in dem fast alles zu finden ist, was man überhaupt unter dem Begriff »eddische Dichtung« zusammenfassen kann.
    Vor allem aber ist es seine Sprache, die seine Übersetzung zu einem kaum übertreffbaren Meisterwerk macht. Gegen seine Übersetzung ist zuweilen eingewendet worden, sie sei zu frei und nicht philologisch genau genug. Selbst dieser Einwand trifft nicht zu. Versucht man einmal, einige Edda -Strophen zu übersetzen und dabei den Rhythmus einigermaßen zu bewahren und den Stabreim so zu verwenden, daß er natürlich klingt, und die Wortbedeutungen so genau wie möglich ins Deutsche zu übertragen - dann wird man entweder scheitern oder bei einer Übersetzung landen, die bestenfalls der von Genzmer nahe kommt, ohne sie freilich in der Regel erreichen zu können. Genzmer hat mit seiner Edda -Übersetzung ein Werk geschaffen, das allein durch seine Sprache den Leser, den Liebhaber großer Literatur zu faszinieren vermag, zugleich aber auch dem fachlich interessierten Benutzer eine Fülle von Erkenntnissen und Anregungen gibt.
     
     
    Kurt Schier

Götterdichtung

1. Der Seherin Gesicht
    D er Sammler des Codex Regius hat dieser Dichtung die erste Stelle gegeben, und als der gelehrte Isländer Snorri um 1220 seine Mythenlehre schuf, nahm er das Fachwerk von diesem dichtenden Vorgänger. In der Tat fühlen wir uns hier auf hoher Warte und überschauen das Geschick der Götter - nicht des Menschenvolkes! - von der Urzeit bis in die ferne Zukunft. Weltschöpfung, Balders Tod, Götteruntergang und Neue Erde: zwischen diese Pfeiler fügt sich das übrige ein. Der Zukunft, den »letzten Dingen«, fällt am meisten Raum zu: aus zerstreuten Einzelsagen baut sich eine Art Geschichte des Weltendes auf.
    Diesen vielgliedrigen Stoff fassen einige fünfzig Strophen. Das war nicht zu erreichen mit dem gewohnten eddischen Erzählen, das in lebhaften Redeauftritten vorschreitet. Unser Lied handhabt eine eigenartige Kunst: Bilder reibt es auf, ruhende und bewegte, mit außergewöhnlich
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