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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Autoren: Stuart MacBride
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Zeitpunkt des Todes an der Leiche hängen geblieben war. Vielleicht war ja etwas dabei, was ihnen helfen würde, David Reids Mörder zu identifizieren.
    »Oho …«, rief Isobel, als sie in den Mund des toten Kindes spähte, der in einem stummen Schrei erstarrt war. »Da haben wir offenbar einen kleinen Besucher.« Vorsichtig stocherte sie mit einer Pinzette zwischen Davids Zähnen, und einen schrecklichen Augenblick lang dachte Logan, sie würde einen Totenkopfschwärmer hervorziehen. Doch als die Pinzette wieder zum Vorschein kam, wand sich nur eine Assel in ihrem Klammergriff.
    Isobel hielt das schiefergraue Insekt ans Licht und sah zu, wie die kleinen Beinchen in der Luft zappelten.
    »Ist wahrscheinlich auf der Suche nach einem Happen zu essen da reingekrabbelt«, sagte sie. »Ich glaube zwar kaum, dass das Tierchen uns irgendwas verraten wird, aber sicher ist sicher.« Sie ließ das Insekt in ein kleines Fläschchen mit Konservierungsflüssigkeit fallen.
    Logan stand schweigend da und sah zu, wie die Assel langsam ertrank.
    Anderthalb Stunden später standen sie vor dem Kaffeeautomaten im Erdgeschoss, während Isobels langhaariger Assistent David Reid wieder zusammennähte.
    Logan fühlte sich ganz und gar nicht gut. Einer Exfreundin dabei zuzusehen, wie sie ein dreijähriges Kind auf einem Autopsietisch auseinander nahm, war eine neue Erfahrung für ihn. Der Gedanke an diese Hände, so ruhig und so geschickt, wie sie die Haut aufschlitzten, Proben entnahmen, maßen und wogen … Wie sie Brian kleine Plastikbehälter mit Stücken und Scheiben von Organen zum Verpacken und Etikettieren reichten … Er schüttelte sich, und Isobel unterbrach ihre Rede, um ihn zu fragen, ob ihm nicht gut sei.
    »Bloß ’ne kleine Erkältung.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Was hast du gerade gesagt?«
    »Todesursache ist Erdrosseln, und zwar mit etwas Dünnem, Glattem, wie einem Elektrokabel. Der Rücken weist umfangreiche Blutergüsse auf, besonders zwischen den Schultern, und es finden sich Schnitt- und Schürfwunden an Stirn, Nase und Wangen. Ich vermute, dass der Täter das Kind auf den Boden gedrückt und auf seinem Rücken gekniet hat, während er es würgte.« Ihre Stimme war sachlich und nüchtern, als sei das Sezieren von kleinen Kindern etwas, was sie jeden Tag machte. Zum ersten Mal wurde Logan bewusst, dass dies wohl tatsächlich der Fall war. »Spermarückstände waren nicht zu finden, aber nach so langer Zeit …« Sie zuckte die Achseln. »Die Risse im Analbereich deuten allerdings auf eine erfolgte Penetration hin.«
    Logan verzog das Gesicht und kippte die heiße braune Flüssigkeit aus seinem Plastikbecher in den Abfalleimer.
    Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Diese Verletzungen sind postmortal, falls das irgendein Trost ist. Das Kind war schon tot, als es passierte.«
    »Irgendeine Chance, DNS zu bekommen?«
    »Eher unwahrscheinlich. Die inneren Verletzungen passen nicht zu einem biegsamen Objekt. Ich würde sagen, dass es eher ein Fremdkörper als der Penis des Täters war. Vielleicht ein Besenstiel?«
    Logan schloss die Augen und fluchte halblaut. Isobel zuckte nur die Achseln.
    »Tut mir Leid«, sagte sie. »Davids Genitalien wurden dem Anschein nach einige Zeit nach Eintritt des Todes mit einer Schere mit gebogenen Klingen abgetrennt, einer Gartenschere vermutlich. Das Blut war schon geronnen. Wahrscheinlich hatte auch die Leichenstarre bereits eingesetzt.«
    Sie standen eine Zeit lang schweigend da, ohne einander anzusehen.
    Isobel drehte ihren Plastikbecher zwischen den Fingern. »Ich … Es tut mir Leid …« Sie brach ab und drehte den Becher in die andere Richtung.
    Logan nickte. »Mir auch«, sagte er und ging.

4
    Constable Watson wartete am Empfangstresen auf ihn. Sie war bis zu den Ohren in eine dicke schwarze Polizeijacke eingemummt, auf deren wasserdichter Außenhaut Regentropfen glitzerten. Ihr Haar hatte sie unter der Schirmmütze zu einem festen Knoten zusammengesteckt, und ihre Nase war rot wie ein Radieschen.
    Sie lächelte, als er mit den Händen in den Hosentaschen auf sie zukam, in Gedanken immer noch bei der Autopsie.
    »Morgen, Sir. Wie geht’s Ihrem Magen?«
    Logan lächelte gequält; der Geruch nach totem Kind hing ihm immer noch in der Nase. »Geht. Und selbst?«
    Sie zuckte die Achseln. »Bin froh, dass ich wieder Tagdienst habe.« Sie blickte sich in der leeren Eingangshalle um. »Also, was steht an?«
    Logan sah auf seine Uhr. Es ging auf zehn zu. Noch anderthalb Stunden
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