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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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Am
liebsten hätte er sich in eins der Straßencafés gesetzt und einfach die
vorbeihastenden Touristenströme beobachtet. Der Weiße Turm, der Mitte des 13. Jahrhunderts
als Teil der vorletzten Stadtbefestigung errichtet worden war, ragte vor ihnen
auf. Hackenholt erinnerte sich, dass Sophie ihm unlängst, als sie beim
Einkaufen hier vorbeigekommen waren, erzählt hatte, der Turm sei früher mit
weißem Kalkputz verkleidet gewesen, damit man das Mauerwerk nicht sah, da dies
als unschicklich galt. Erst im Zuge der Renovierungsarbeiten in der
Nachkriegszeit waren die Steine wieder freigelegt worden.
    Wünnenberg und Hackenholt umrundeten die vorgelagerten kleinen
Türmchen, die Barbakane, und gelangten zum östlichen Toreingang. Dort, gleich
neben den Rolltreppen, die hinunter zur U-Bahn führten, trafen sie auf zwei
Stadtstreicher: Ein blonder Mann in Lederjacke und mit einer Baseballmütze lag
stumm vor sich hin lächelnd auf einer der zwei Bänke, neben ihm saß ein älterer
Mann mit Spazierstock, festen Schuhen und einem Wanderhut. Er trug trotz der
warmen Temperaturen nicht nur einen langärmligen Pullover, sondern darüber auch
noch eine dünne Regenjacke aus Plastik. Zu seinen Füßen stand eine geöffnete
Flasche Bier.
    Hackenholt stellte sich und
Wünnenberg vor und fragte höflich, ob er ihn zu einer Tasse Kaffee einladen
dürfe, sie würden sich gerne mit ihm unterhalten. Dabei wies er zu den
Sonnenschirmen des Cafés »Der Beck«.
    Der Obdachlose blickte
Hackenholt erschrocken an. »Dafür bin ich heute aber wirklich nicht fein genug
angezogen. Die würden nicht wollen, dass ich mich da hinsetze.«
    Fasziniert beobachtete
Hackenholt, wie der Stadtstreicher einen alten, abgenutzten Rollwagen – den
normalerweise ältere Herrschaften für ihre Einkäufe nutzten – näher zu sich
heranzog. Aus der Tasche ragten drei nicht mehr taufrisch aussehende Stangen
Lauch heraus. Als der Mann, der von den Polizisten Schorsch genannt werden
wollte, Hackenholts interessierten Blick sah, erklärte er stolz, er habe das
Gemüse am Vortag von einem Bauern auf dem Hauptmarkt geschenkt bekommen.
    »Wenn man ganz spät hingeht,
also dann, wenn sie gerade am Zusammenpacken sind, dann verschenken sie
manchmal das, was sie nicht verkaufen konnten. Den Porree koche ich heute Abend
in der Unterkunft. Oder möchten Sie ihn vielleicht haben? Man kann ihn auch gut
roh essen.« Mit einer einladenden Geste bot er Hackenholt großherzig das
gammelige Gemüse an. »Sie haben sicher eine richtige Küche zu Hause, nicht
wahr?«
    Hackenholt lehnte lächelnd ab.
»Wir wollten Sie wegen etwas ganz anderem sprechen, Schorsch. Sie kennen doch
den Professor, oder?«
    »Ja, aber wissen Sie was? Da
stimmt was nicht. Den hab ich jetzt schon eine ganze Zeit lang nicht mehr
gesehen. So langsam mache ich mir Sorgen. Sonst ist er immer alle paar Tage
hier vorbeigekommen, auch wenn er auf Urlaub war. Ich habe mir schon überlegt,
ob ich mal nach Mögeldorf fahren und nachsehen soll.« So wie der Mann das
sagte, klang es nach einer wahren Weltreise. »Aber dann dachte ich, dass er
vielleicht dieses Jahr einfach nur woanders Ferien macht.«
    »Wann haben Sie ihn denn das
letzte Mal gesehen?«
    »Ja, wissen Sie, das ist auch so
eine Sache.« Schorsch rückte den Hut zur Seite und kratzte sich am Kopf. »So
genau nehme ich es nicht mehr mit der Zeit. Aber es ist bestimmt schon eine
ganze Weile her. Auf alle Fälle vor dem großen Regen. Oder? Was sagst du?«,
wandte er sich an den neben ihm liegenden Kumpel, der ihn jedoch nur sanft lächelnd
ansah und nicht weiter reagierte. Schorsch machte eine wegwerfende
Handbewegung. »Der ist debil. Sie wissen schon. Nicht ganz richtig im Kopf.«
    Hackenholt nickte. »Wie haben
Sie das vorhin eigentlich mit dem Urlaub gemeint? Das habe ich nicht so ganz verstanden.
Ist der Professor tatsächlich manchmal weggefahren?«
    Schorsch grinste wissend. »Ja,
also, das ist eine Eigenheit von ihm. Im Sommer, sagt er immer, da fährt alle
Welt in den Urlaub. Das gehört sich einfach so. Also macht er das auch.«
    »Und wo ist er da immer so
hingefahren?«
    »Meistens nach Mögeldorf.«
    »Hatte das einen bestimmten
Grund? Kannte er dort jemanden, oder hat er jemanden besucht?«
    Schorsch zuckte mit den
Schultern. »Ich weiß nicht, das hat er mir nie verraten. Aber es muss da eine
Gartenlaube geben, in der er immer wieder übernachtet.«
    Hackenholt nickte. »Sie wissen
aber nicht, wo genau sich diese Gartenlaube befindet,
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