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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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Stadtstreichers leuchteten verschmitzt auf. Ein bisschen machte er den
Eindruck, als sei er selbst über seine Kühnheit erstaunt, einen Kripobeamten um
sein Essen anzuhauen. Hackenholt war sich sicher, dass die Geschichte sofort
die Runde machen würde, also drückte er dem Mann lächelnd seinen Döner in die
Hand. Auch Wünnenberg zeigte sich großzügig und überließ seine türkische Pizza
einem der vormals schlafenden Obdachlosen, die mittlerweile neugierig
nähergekommen waren.
    Als Hackenholt um kurz nach
fünf endlich nach Hause kam, stand Sophie in der Küche. In der Röhre brutzelten
zwei Portionsschäufele langsam vor sich hin. Natürlich hatte sie gewusst, dass
der für diesen Tag geplante Ausflug in die Fränkische Schweiz maßgeblich dem
Ziel hätte dienen sollen, eins der im Schäufeleführer vorgestellten Restaurants
auszuprobieren.
    Nachdem Hackenholt sich geduscht
– wobei dies schon fast einer rituellen Waschung gleichkam – und umgezogen
hatte, erzählte er Sophie zögerlich von den Obdachlosen und den beiden Heimen,
die sie besucht hatten.
    »Hast du dir in der
Großweidenmühlstraße auch das Haus für Frauen angeschaut? Hausnummer 33?«
    Hackenholt schüttelte erstaunt
den Kopf. »Nein, wieso auch? Unser Toter ist doch ein Mann.«
    »Ich rede ja auch nur vom Haus
und nicht von seinen Bewohnern.« Sophie verdrehte die Augen. »Im Mittelalter,
um genau zu sein 1528, wurde auf dem Gelände, das heute die Obdachlosen
beherbergt, ein Pestlazarett eröffnet. Also in unmittelbarer Nähe vom
Johannisfriedhof. Benannt wurde das Haus nach dem Pestheiligen Sankt Sebastian,
und damit war das Sebastiansspital geboren, das wir Nürnberger zumeist nur
›Wastl‹ nennen.«
    »Aber das ist doch ein Altenheim
in der Veilhofstraße«, protestierte Hackenholt, der das »Wastl« nicht nur vom
Hörensagen kannte, sondern auch schon selbst besucht hatte. »Und so alt, wie es
aussieht, steht das schon seit Jahrhunderten dort.«
    Sophie schüttelte entschieden
den Kopf. »Als die Pest im 18. Jahrhundert keine so große Rolle mehr spielte,
wurde die Anlage in der Großweidenmühle als Fürsorgeeinrichtung für Alte,
Kranke und Arme genutzt. Der Umzug von Johannis nach Wöhrd fand erst nach dem
Ersten Weltkrieg statt. 1909 ging das Grundstück neben dem Johannisfriedhof
dann in öffentliche Hand über und wird seither als Asyl für Obdachlose genutzt.
Das Männerhaus wurde in den fünfziger Jahren erbaut, aber das Gebäude, in dem
heute die Frauen untergebracht sind, ist noch ein originales Überbleibsel aus
dem Mittelalter.«

Montag
    Die morgendliche
Dienstbesprechung fand, wie schon seit Längerem, auch an diesem Montag in einem
reduzierten Kollegenkreis statt. Schuld war der Sommer. Für die ersten
Urlaubsrückkehrer waren jetzt andere Kollegen des Kommissariats in die
Sommerpause gegangen. Manfred Stellfeldt sah gebräunt und erholt aus. Saskia
Baumann hingegen war von ihrer Grippe genesen und auch wieder unter den
Anwesenden. Neugierig lauschten alle, was Wünnenberg und Hackenholt über den
toten Stadtstreicher aus dem Reichswald zu berichten hatten.
    »Soso. Da haben wir also wieder
mal einen toten Sandler«, seufzte Stellfeldt, während er seine Glatze
massierte, auf der sich die Haut nach einem abklingenden Sonnenbrand schälte.
»Zumindest sieht es dieses Mal nicht nach einem Übergriff von Neonazis aus.
Kann der Mord etwas mit dem Beruf von Herrn Gruber zu tun haben? Er war doch
Arzt. Unter normalen Umständen lebt diese Spezies nicht völlig verarmt auf der
Straße.«
    Hackenholt zuckte mit den
Schultern. »Wir stehen noch ganz am Anfang der Ermittlungen. Im Moment können
wir noch überhaupt nichts ausschließen; auch wenn es zugegebenermaßen auf den
ersten Blick nicht nach Neonazis aussieht. Ralph und ich werden nachher
versuchen, den Obdachlosen am Weißen Turm aufzuspüren. Gestern war er nicht da.
Außerdem müssen wir noch in der Notschlafstelle der Caritas nachfragen, ob der
Professor dort bekannt ist.«
    Stellfeldt nickte zustimmend.
    »Un mir? Wos sollnern edzadla
mir machn?«, fragte Saskia Baumann voller Tatendrang.
    »Ihr habt heute Bürodienst: Papierberge abarbeiten ist angesagt«, grinste Wünnenberg. »Da hat sich in den
letzten zwei Wochen nämlich ganz schön viel Kleinkram angesammelt, den ich dir
auf deinen Schreibtisch gestapelt habe.«
    Zu Fuß gingen die zwei Kripobeamten die wenigen Schritte vom
Jakobs- zum Ludwigsplatz hinüber. Hackenholt genoss das sommerliche Wetter.
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