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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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konnte,
hatte sich geleert. Auch das Hippiepärchen, das dort drüben unter der Douglasie
gelegen und sich unter seiner Decke stundenlang wie in Zeitlupe bewegt hatte,
war nicht mehr da. Weiter oben, wo die Milchgesichter in ihren Skatershorts und
Basecaps zusammengesessen hatten, steckten jetzt nur noch leere Flaschen – auf
Stöcken, die in den Rasen gespießt waren. Sogar Bocksbeutel waren dabei. Im
blassen Mondlicht erinnerten sie Jasmin plötzlich an ein längst vergessen und
verdrängt geglaubtes Bild: »Aufgespießte Schrumpfköpfe bei Indianern im
Amazonasgebiet«.
    Vor keinem anderen Bild im Lexikon ihres Großvaters hatte sie sich
als kleines Mädchen so gefürchtet. Sie sah sich wieder auf seinen Knien sitzen,
mit ihm das Lexikon durchblättern, hörte sein tiefes, gespielt überraschtes
Lachen, wenn die Seite mit den Schrumpfköpfen kam und sie sich die Händchen vor
die Augen schlug und trotzdem immer wieder wie gebannt durch ihre Finger linsen
musste …
    Aufgespießte Schrumpfköpfe – und aus dem Hintergrund der dumpfe
Sound der Sambatrommeln … sie schauderte kurz und ärgerte sich gleich darauf
über ihre absurden Assoziationen.
    Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Auch ihre Blase machte sich
jetzt bemerkbar.
    Sie schlüpfte in ihre nagelneuen, strassbesetzten Pantoletten –
»Dolle Schläbble, Marke ›Boxenluder‹?«, hatte Alex gefeixt – und erhob sich.
Vom Festungsberg zog eine kühle Brise herab. Jasmin warf die lange blonde Mähne
in perfekt einstudierter Pose nach hinten. Mit verschränkten Armen, die
gläsernen Schrumpfköpfe keines Blickes würdigend, stakste sie vorsichtig über
den Rasen, lugte um die große Buschreihe herum.
    Nichts.
    Kein Alex.
    Weit und breit keine Menschenseele.
    Irritiert und leicht verärgert blickte sie sich um.
    Hatte sich Alex allen Ernstes aus dem Staub gemacht? Unten, auf dem
Schlossplatz, tobte das Leben. Hier oben, hinter diesen großen, dunklen
Büschen, schien alles düster, still und seltsam fremd.
    Müsste dort hinten nicht eigentlich ein Spielplatz sein? Ich kenne
mich hier einfach zu wenig aus, dachte Jasmin. Seit ihrem Studienbeginn in
Coburg im letzten Wintersemester war sie nur ein einziges Mal im Hofgarten
gewesen. Egal! Ihre Blase meldete sich immer heftiger. Sie kehrte dem Buschwerk
den Rücken zu, knöpfte ihre Jeans auf, zog mit geübtem Griff Hose und Tanga
unter die Knie herab und ging in die Hocke.
    Urplötzlich ein scharfes, krachendes Knacken – direkt hinter ihr.
    Zu Tode erschrocken fuhr Jasmin in die Höhe, stolperte fast, fing
sich wieder, drehte sich entsetzt herum, versuchte, Slip und Hose nach oben zu
reißen.
    »Alex?? Bist du des? … Mach kan Blödsinn!«
    Sie starrte angstvoll in das dunkle Gebüsch.
    War ihnen doch der merkwürdige Russe vorhin gefolgt, hatte sich hier
versteckt – und sie die ganze Zeit beobachtet?
    Mit zitternden Fingern zerrte sie an ihren Jeans, den Blick atemlos
auf das unheildrohend schwarze Buschwerk gerichtet.
    Scheiß auf die Knöpfe, scheiß auf die Schläppchen, nichts wie rüber,
dort drüben muss doch der Fußweg …
    Zu spät!
    Der ganze Busch krachte und zersplitterte.
    Wie ein riesenhafter Panther sprang der Schatten sie an, warf sie
wuchtig zu Boden. Brutal presste sich eine Hand auf ihren Mund, erstickte
erbarmungslos ihren entsetzten Schrei. Voll wilder Todesangst bäumte Jasmin
sich auf – und hatte doch nicht den Hauch einer Chance. Blitzartig, siedend
heiß bohrte sich wahnsinniger Schmerz tief in ihren Brustkorb, immer wieder,
immer heftiger; raubte jäh die Kraft zum Luftholen, die Kraft zum Schreien. Nur
noch ein ängstliches Röcheln, ein schwaches, reflexartiges Zucken von Händen
und Füßen. Blutige Schaumbläschen gurgelten hervor, als ein grauenhafter
Schmerz ihr Kehle und Luftröhre spaltete. Sie spürte nicht mehr, was mit ihrem
Unterleib geschah.
    Zwei Steinwürfe weiter verabschiedete eine tobende, alkoholbefeuerte
Menge die »Bateria do Samba Brasil« frenetisch von der Schlossplatzbühne.
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