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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen
Autoren: Silvio Huonder
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an die Armenanstalt und mit besonderer Erlaubnis des Herrn Amtstadtvogts. Diesem blieb jedoch vorbehalten, nach Gutdünken Tanzanlässe zu gestatten oder zu verbieten. Fand ein Tanzanlass ohne seine ausdrückliche Erlaubnis statt, wurde ebenfalls eine Buße von zwanzig Pfund fällig.
    Das Maskieren war für das ganze Jahr bei einer Buße von einem Pfund pro Person verboten.
    Verboten war das Schlittenfahren zum bloßen Vergnügen an Sonn- und Festtagen bei einer Buße von neun Pfund. An Werktagen war es gegen eine Gebühr von drei Pfund für große Gesellschaftsschlitten gestattet.
    Die Schenkhäuser und Kaffeeläden mussten am Abend um neun Uhr für jedermann geschlossen werden.
    Alles nächtliche Umherschwärmen und Lärmen in den Straßen und Gassen war das ganze Jahr über, auch in der Neujahrsnacht, bei entsprechender Buße verboten.
    Das Schießen, Raketenzünden, Hinlegen von Schwärmern und dergleichen war das ganze Jahr und auch in der Neujahrsnacht in und um die Stadt verboten, bei vierundzwanzigstündiger Gefängnisstrafe ohne Ansehen der Person.
    Allen Bürgern, die sich selbst oder die Ihrigen (Weiber, Kinder oder Eltern) nicht ohne fremde Unterstützung erhalten konnten, war alles Trinken und Spielen in Wirtshäusern ohne Ausnahme verboten, und zwar bei sofort zu vollziehender, unaufschiebbarer Gefängnisstrafe. Das Namensverzeichnis derjenigen Bürger, die solche Orte bisher zu oft aufsuchten, sollte dort zur Warnung der Wirte angeschlagen werden.
    8 Am Dorfrand von Versam stand ein einfaches Bauernhaus. In einem der Fenster war zu dieser späten Stunde noch ein schwacher Lichtschein zu sehen. In der niedrigen Küche saßen drei Männer am Tisch. Franz Rimmel, zweiundfünfzig Jahre alt, ein Tiroler Uhrmacher, der seit vielen Jahren in Graubünden und im Veltlin als Gelegenheitsarbeiter unterwegs war. Er hatte eine Frau in Lantsch, die er aber, wie es hieß, wegen liederlicher anderer Frauenzimmer schon vor längerer Zeit verlassen hatte. Rimmel war ein kleiner und schmächtiger Mann, die Augen waren vom Saufen rot und glasig. Er war unrasiert, aber sein Bartwuchs war dünn und bestand nur aus vereinzelten Haarbüscheln. Immer wenn er sein Maul öffnete, um etwas zu sagen, hielt er einen Augenblick inne und verdrehte seine Augen so stark nach links oben, als wollte er in sein eigenes Gehirn hineinschauen.
    Ihm gegenüber saß Hansmartin Bonadurer, der mit seiner Frau und den sieben Kindern dieses kleine Haus bewohnte, breitschultrig, der schwarze Bart von weißen Haaren durchsetzt. Neben ihm sein jüngerer Bruder Hans, siebenunddreißig Jahre, der im Dorf Pitasch Frau und Kind hatte. Auf dem Tisch standen Teller mit abgenagten Hühnerknochen, Gläser und eine halbvolle Flasche Schnaps. Huhn und Schnaps an einem ganz gewöhnlichen Wochentag? Die Flasche hatten der jüngere Bruder und Rimmel mitgebracht. Genau wie das Huhn, dessen Knochen die Frau des älteren Bonadurers nun in einen Topf sammelte. Die Kinder waren nach ihrer Mehlsuppe ins Bett geschickt worden. Anna wollte die Knochen auskochen, damit sie morgen eine Hühnersuppe auftischen konnte. Obwohl sie sich ärgerte wegen des Huhns. Weil die Nachbarn im Dorf wohl wissen würden, wer ihren Hühnerbestand dezimierte. Anna nahm sich vor, die Knochen anschließend im Herd zu verbrennen. Sie war eine hagere Frau mit glatten dunklen Haaren, einem gebräunten Gesicht und großen Händen. Es gefiel ihr nicht, wie Rimmel sie ansah. Und wie die Männer schon den ganzen Abend in Rätseln sprachen. Sie redeten über etwas, ohne es richtig zu benennen.
    Da gäbe es schon etwas, sagte Rimmel.
    In der darauffolgenden Pause knurrte der Bonadurer seine Frau an: Worauf wartest du?
    Die Suppe für morgen, sagte sie.
    Mach, dass du verschwindest!
    Sie goss Wasser in den Topf, stellte ihn aufs Herdfeuer und schob ein Scheit in die Glut. Dann wollte sie das schmutzige Geschirr vom Tisch räumen, aber ihr Mann fuhr sie an: Hör auf herumzutrödeln!
    Rimmels Augen drehten nach links oben, bevor er wiederholte, was er zuvor gesagt hatte: Da gäbe es schon etwas.
    Geben tut’s viel, sagte der jüngere Bonadurer. Aber ob sich das lohnt?
    Als die Frau des älteren Bonadurers erneut versuchte, das schmutzige Geschirr vom Tisch zu räumen, schlug er ihr auf den Hinterkopf und schrie sie an: Reiz mich nicht!
    Rimmel nahm die Flasche und füllte die Gläser nach.
    Anna ging in die angrenzende Kammer hinüber. Die fünf Größeren schliefen unter dem Dach, die zwei Kleinsten
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