Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller
Griff um meinen Arm.
Ich drehte mich um und zeigte keinerlei Überreaktion.
»Hurensohn.«
3
DER KHAAJIIR
Der Bocai leckte sich die Ränder seines lippenlosen Mundes. »Andrea Cort. Ich hoffe, ich darf das als Ausdruck der Überraschung verstehen und nicht als Bewertung meines Charakters.«
Bocai leiden nicht unter den gleichen Problemen nachlassender Hautelastizität, die bei unbehandelten Menschen in fortgeschrittenem Alter zu Falten führen. Folglich können sie bis hin zu den letzten Stadien der Altersschwäche auf Verjüngungskuren verzichten, und ihre Gesichtshaut wird trotzdem glatt bleiben. Aber ich hatte genug Erfahrung und kein Problem, die Zeichen zu erkennen, die die Altertümlichkeit dieser Person offenbarten - angefangen bei der fahleren Haut bis hin zu der gebückten Haltung, die die üblichen Gebrechen verriet, welche jede aufrechte Wirbelsäule, die zu viele Jahre mit der Schwerkraft im Widerstreit lag, davontrug. Er stützte einen großen Teil seines Gewichts auf einen Stab, der größer war als er selbst und aussah, als wäre er aus dem glasig-transparenten Holz geschnitzt worden, das ich in meiner Kindheit so häufig zu sehen bekommen hatte. Es war auf Hochglanz poliert und spiegelte die Lichter an der Decke auf eine Weise wider, die beinahe den Eindruck erweckte, als wäre es ebenso reich mit Juwelen geschmückt wie die grell ausstaffierten Möbelstücke um uns herum. Er trug eine locker sitzende Tunika mit Kapuze und einem gerüschten Saum, der bis zu seinen Fußgelenken reichte, und ein goldenes Medaillon, in das irgendein schimmerndes Symbol eingeprägt war. Keine ROM-Disk klebte in der Mitte seiner hohen, haarlosen Stirn - eine Seltenheit bei Bocai auf Reisen; ihr Fehlen legte Zeugnis davon ab, dass diese Person Merkantil und die anderen gebräuchlichen Sprachen flüssig beherrschte.
Ich wollte verdammt sein, wenn der Kerl nicht aussah, als würde er lächeln. Die Evolution der Bocai hatte diesen Ausdruck nicht als einen Weg zur Übermittlung von Wärme oder Amüsement hervorgebracht, aber sie wussten, was ein Lächeln für Menschen bedeutete, und sie konnten die Geste nachahmen, wenn sie den Wunsch verspürten. Ebenso gut hätte er mir aus anderen traditionellen Gründen die Zähne zeigen können. Und der Anblick dieses Stabs gefiel mir auch ganz und gar nicht. Die Aussicht auf einen altmodischen Schlag auf den Kopf, ebenso tödlich wie eine Klaue Gottes, vermochte auch nicht mehr Begeisterung in mir hervorzurufen als die exotische Waffe selbst.
Ein paar gut gekleidete Menschen, um die Zwanzig herum, vielleicht jünger, standen hinter ihm.
In Anbetracht der Ähnlichkeit des jungen Mannes mit dem berühmten Hans Bettelhine nahm ich an, dass es sich bei ihm um einen der »jungen Bettelhines« handelte, die Arturo Mendez erwähnt hatte. Er hatte ein markantes Kinn, eine aristokratische Nase und einen so zierlichen Körperbau, dass es schon beinahe ungesund aussah. Ich fragte mich, ob er krank gewesen oder ob dies eine Art örtlicher Modeerscheinung war, von der ich noch nie gehört hatte, ähnlich vielleicht der Mode, die den königlichen Personen im alten China auf der alten Erde abverlangt hatte, ihre Fuß- und Fingernägel so lange wachsen zu lassen, bis sie voll und ganz von ihrer Dienerschaft abhängig waren, ob es nun um Ernährung oder grundlegende Hygienemaßnahmen ging. Sein Versuch, ein besänftigendes Lächeln zu präsentieren, hielt gerade genug zurück, mir zu vermitteln, dass er Leid erlebt hatte - ausreichend Leid, um jedem Glück, das er je erfahren würde, ein paar Grad Wärme zu rauben, ein Ausdruck, den man eher in den Gesichtern der Armen erwarten würde. Sah man den Ausdruck jedoch in dem Gesicht eines Reichen, so verwies er üblicherweise auf eine Vergangenheit, die fehlgeschlagene Versuche der Selbstzerstörung beinhalten mochte.
Die junge Frau bot einen gänzlich anderen Anblick. Sie ähnelte den Prinzessinnen in einer Vielzahl von Märchen. Ihre Haut wirkte wie Porzellan, das schulterlange Haar schimmerte in einem Goldton, der das schlichte Metall zu einem glitzernden Nichts verblassen ließ. Sie trug ein locker sitzendes, knöchellanges silbernes Gewand, gerade transparent genug, um den Unterschied zwischen seiner bequemen Formlosigkeit und der Form der darunterliegenden Kurven zu akzentuieren. Sie sah nicht aus, als hätte sie je in irgendeiner Weise gelitten, wenn auch der besorgte Blick, mit dem sie ihren, wie ich annahm, Bruder bedachte, andeutete, dass
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