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Die drei ??? und die Perlenvögel

Die drei ??? und die Perlenvögel

Titel: Die drei ??? und die Perlenvögel
Autoren: M. V. Carey
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Fensterfront.
    Peter fand es herrlich. Wie beim Tauchen, beim Hinabsinken in die Tiefe des Ozeans. Man nahm nichts mehr wahr außer der Stille.
    »Wollt ihr denn nicht, daß ich diesen armen Vogel freilasse?« fragte Maureen Melody mit normaler Sprechstimme. Ein vorwurfsvoller, gekränkter Blick aus den seelenvollen blauen Augen traf Justus. »Ich dachte, ihr hättet ihn deshalb hergebracht. Ich dachte, ihr hättet einen meiner Handzettel gelesen. Als Gründerin und Vorsitzende des Vereins ›Unsere gefiederten Freunde‹ zahle ich jedem, der einen Vogel aus seinem Käfig freiläßt, zwanzig Dollar. Ich ertrage es nicht, Vögel in Käfigen eingesperrt zu sehen. Das ist so grausam.«
    »Grausam«, echote der Papagei auf ihrer Schulter, »grausam, grausam.«
    Das löste zumindest das Rätsel ihrer Bemerkung über eine Belohnung, dachte Justus. Nun war es an ihm, die näheren Umstände zu erklären. Er berichtete Miss Melody erst einmal, daß Cäsar ihnen gar nicht gehörte, daß er ihnen von einem Unbekannten anvertraut worden sei und daß sie ihm die Taube nun zurückgeben wollten.
    Bob beobachtete Maureen Melody, während Justus sprach.
    Trotz ihrer stattlichen Größe war sie eine schöne Frau. Sie erinnerte ihn an einen Hollywood-Star von ehedem, überwältigend für den Betrachter in den Dimensionen einer 3-D-Leinwand.
    »Wenn wir Cäsars Besitzer ausfindig machen können«, sagte Peter, »wird er den Vogel wieder seinen Artgenossen zuführen.
    Ganz bestimmt ist Cäsar in einem großen Taubenhaus oder einem Schlag und nicht in einem Käfig zuhause.«
    »O ja.« Miss Melody fingerte wieder an ihren Perlen herum.
    Außer der dreireihigen Halskette trug sie auch Perlenohrringe.
    »Und deshalb sind wir zu Ihnen gekommen«, fuhr Bob fort.
    »Ich wußte, daß Sie sich sehr für Vögel interessieren, weil wir uns einmal in der Bücherei darüber unterhalten hatten. Und da dachten wir, Sie wüßten vielleicht, ob es hier in der Gegend jemanden gibt, der Brieftauben hält.«
    Miss Melody antwortete nicht. Sie blickte starr an ihm vorbei zum Fenster hinaus.
    »Entschuldigt«, sagte sie. Wieder drückte sie auf den Knopf in der Wand. Das Panzerglas glitt zur Seite. Die Klänge des vielstimmigen Vogelchors erfüllten von neuem den Raum.
    Miss Melody öffnete die Glastür. Dicht dahinter stand auf dem Gartenweg ein Vogel. Es war eine Elster, wie Peter sah.
    Maureen Melody kniete nieder und nahm etwas aus dem Schnabel des Vogels. »Ein so kluges Schätzchen«, sang sie in ihrer vollen Sopranstimme, diesmal in selbst improvisierter Melodie. »Ich nenne ihn Edgar Allan Poe. Ich weiß, daß Poes Vogel ein Rabe war. Aber ich liebe sein Gedicht so sehr. Ihr müßtet es auch kennen: ›Sprach der Rabe: Nimmermehr.‹« Die Elster hüpfte in den Garten zurück, und Miss Melody ließ die dicke Glasplatte wieder vorfahren.
    »Man sagt immer, Elstern seien so diebisch«, fuhr sie mit normaler Stimme fort. »Aber meine beiden zahmen Elstern sind keine Diebe. Edgar Allan Poe schon gar nicht. Im Gegenteil, er bringt mir immer etwas. Lauter wunderschöne Sachen. Seht mal.« Sie streckte ihre große, mollige weiße Hand aus und zeigte den drei ???, was Edgar Allan Poe ihr gebracht hatte.
    Es war eine sehr große, schimmernde Perle.
    »Das ist die dritte Perle, die er mir im Lauf des Monats schon gebracht hat«, erklärte sie. »Ich habe keine Ahnung, wo er sie findet, aber Perlen liebe ich über alles. Perlen und Vögel. Meine beiden Leidenschaften.«
    »Wegen der Brieftauben . . .« griff Justus sein Thema wieder auf. »Kennen Sie nicht zufällig irgendwen . . .«
    Miss Melody schüttelte den Kopf. »Im Augenblick wüßte ich leider niemanden.«
    »Aber falls Ihnen jemand einfallen sollte . . .« – Justus zog eine Karte der drei ??? heraus und reichte sie ihr – »wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es uns mitteilen könnten.«
    Maureen Melody nahm die Karte entgegen, doch ehe sie sie ansehen konnte, hüpfte ihr der Papagei von der Schulter auf den Arm, schnappte sich die Karte mit dem Schnabel und flog zu seiner Sitzstange hinüber.
    »Vielen Dank, es war nett, daß Sie Zeit für uns hatten«, sagte Justus zu Miss Melody. Obwohl ihm die Frau nicht unsympathisch war, merkte er doch, daß sie hier nicht weiterkamen, und in dem schalldichten Raum kam er sich allmählich selbst wie ein Vogel im Käfig vor.
    Lächelnd ließ Miss Melody die Glasplatte zurückgleiten und ließ die Jungen hinaus. Das Lächeln galt freilich nicht ihnen, wie
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