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Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Titel: Die drei Stigmata des Palmer Eldritch
Autoren: Philip K. Dick
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einem sonderbaren kleinen Mädchen und einem Koffer. (Den Koffer kennen wir bereits; es ist Dr. Smile, Mayersons Psychiater bzw. ein Fernanschluß an den Psychocomputer im Keller von Mayersons Haus. Das ist eines jener hübschen, typisch Dickschen Details, mit denen es ihm immer wieder gelingt, den Leser zu verblüffen.) Es stellt sich heraus, daß man ihm Eldritchs geheimnisvolle neue Droge Chew-Z verabreicht hat und er sich auf einem »Trip« befindet. Aber die Parameter des Trips – was ist real, was Illusion? – lassen sich im Sinne der üblichen Unterscheidungen zwischen objektiver und subjektiver Realität nicht definieren. Schlimmer noch, es ist völlig unklar, wo der Trip, wenn überhaupt, zu Ende ist – und in wessen Kopf er stattfindet. In gewissem Sinne beginnt hier die eigentliche Geschichte.
    In diesem Zusammenhang ist es vielleicht ganz aufschlußreich, die vielen raffinierten Ideen und Handlungsstränge einen Augenblick beiseite zu lassen und uns statt dessen mit jenen Storyelementen zu beschäftigen, die der Geschichte nach der ersten Begegnung zwischen Bulero und Eldritch auf S. 99 solche Stoßkraft verleihen.
    Im einzelnen:
    1) Die Art und Weise, wie Leo und Barney sich unterhalten (S. 28-31). Die Seiten 24-28 vermitteln uns ein anschauliches Bild von Leo Bulero, während wir verfolgen, wie er seine Geschäfte führt und sich mit Felix Blau und Hepburn-Gilbert über den Fall Eldritch unterhält. Wir erfahren, wie er reagiert, wie er denkt. Zuvor konnten wir uns einen deutlichen Eindruck von Barneys Persönlichkeit verschaffen, von der Art und Weise, wie er mit seiner Umwelt, seinen Mitmenschen verfährt – was für die Handlung des Romans zwar wichtig ist, auf seine Dynamik jedoch keinen allzu großen Einfluß hat. Überaus faszinierend ist hingegen die Interaktion zwischen Barney und Leo. Zwischen den beiden herrscht eine bemerkenswerte Vertraulichkeit, eine gewisse Offenheit, und ihr Gespräch nimmt eine überraschende Wendung. Wenn es sich auch nicht um eine »realistische«, sprich scheinbar authentische Unterredung zwischen Chef und Angestelltem handelt, so ist sie doch »real«, sprich lebendig in dem Sinne, daß zwei Menschen vor unseren Augen auf unvorhersehbare, glaubwürdige Art und Weise miteinander kommunizieren. Das Verhältnis zwischen Barney und Roni hat mit dem Plot zu tun; das zwischen Barney und Leo hingegen rührt an das Wesentliche.
    2) Die Frage »Wer oder was ist Palmer Eldritch eigentlich?«, die in den letzten beiden Absätzen des vierten Kapitels entsprechend melodramatisch abgehandelt und bereits auf den Seiten 17 (»Meinen Sie, es sind Dinger?«) und 45 (»Er hatte eine düstere Ahnung, und ihn befiel tiefes Unbehagen«) angeschnitten wird. Das Gefühl, daß hier etwas nicht stimmt, der beklemmende Gedanke, daß Palmer Eldritch womöglich zur Marionette außerirdischer Invasoren geworden ist, wird also schon recht früh thematisiert. Das Motiv der Fremdenangst taucht in Dicks Romanen, von Die seltsame Welt des Mr. Jones (1956) bis Die Mehrbegabten (1970), immer wieder auf – Dicks Aliens rücken beständig näher, und über ihre Beweggründe und ihr Naturell herrscht Unklarheit, was sie noch beängstigender, noch bedrohlicher erscheinen läßt.
    3) Leos Neugier als motivierende Kraft (S. 43). Dies ist äußerst menschlich und ergreifend; obwohl Barney Mayerson ursprünglich als der »stinknormale« Held konzipiert war, wie Joe Chip und eine ganze Reihe anderer Joes in Dicks Romanen, können wir hier deutlich beobachten, wie die Sympathie des Autors sich von Barney (nahezu paradoxerweise) auf den interplanetaren Industriemagnaten Leo Bulero als Verkörperung des Heroismus des einfachen (bescheidenen) Menschen verlagert. Barney ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Leo hingegen ist, wenngleich von Natur aus ich-bezogen, offen für seine Umwelt und jederzeit bereit, die Initiative zu ergreifen.
    4) Richard Hnatts Überlegungen während der E-Therapie (S. 92 f.). Hnatt ist nur eine Nebenfigur, doch hier macht er einen Prozeß durch, der, wie Can-D, in gewisser Hinsicht auf die Chew-Z-Erfahrung vorausdeutet und – da er sich bereitwillig und aus freien Stücken einem Eingriff in seinen Verstand und seine Persönlichkeit aussetzt, der unabsehbare Folgen nach sich ziehen wird – den thematischen Mittelpunkt des Romans bildet. Wichtiger jedoch erscheint mir, daß der Autor hier damit beginnt, seinen Gedanken durch seine Figuren Ausdruck zu verleihen, was im Laufe des
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