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Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere
Autoren: Alexander Dumas
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des Waldes widerhallte. "Bin ich schuldig und habe ich die Verbrechen begangen, deren Ihr mich anklagt,« kreischte Mylady, »so führt mich vor einen Richterstuhl, Ihr seid nicht die Richter, die mich verurteilen dürfen.«
    »Ich brachte Tyburn in Vorschlag,« versetzte Lord Winter, »warum habt Ihr es nicht angenommen?«
    »Weil ich nicht sterben will,« entgegnete Mylady, gegen den Henker sich wehrend, "weil ich zu jung bin, um zu sterben.«
    »Die Frau, die ihr in Bethune vergiftet habt, war noch jünger als Ihr und ist doch gestorben,« sprach d'Artagnan. »Ich will in ein Kloster gehen, und den Schleier nehmen,« sagte Mylady. »Ihr waret in einem Kloster,« erwiderte der Henker, »und seid daraus entflohen, um meinen Bruder zu Grunde zu richten.« Mylady erhob wieder ein Angstgewimmer und sank auf die Knie. Der Henker hob sie bei den Armen empor und wollte sie nach dem Kahne tragen. »Ach, mein Gott! mein Gott!« wimmerte sie; »wollt Ihr mich denn ertränken?« Dieses Wehklagen war so herzzerreißend, daß sich d'Artagnan, der anfangs im Verfolgen Myladys der heftigste war, auf einen Baumstrunk setzte, das Haupt neigte und die Ohren mit seinen flachen Händen zuhielt; nichtsdestoweniger hörte er, wie sie heulte und drohte. D'Artagnan war der jüngste von diesen Männern, sein Herzward weich. »Ach,« seufzte er, »ich kann dieses schreckliche Schauspiel nicht ansehen; ich kann es nicht zulassen, daß diese Frau sterbe.« Mylady, welche die letzten Worte vernahm, gab sich wieder einem Strahle von Hoffnung hin und stammelte: »D'Artagnan! d'Artagnan! gedenkst du noch, daß ich dich liebte?« Der junge Mann erhob sich, und trat ihr einen Schritt näher. Auch Athos stand auf, entblößte seinen Degen, stellte sich in den Weg und rief: »Tut Ihr noch einen Schritt, d'Artagnan, so sollen sich unsere Schwerter kreuzen.« D'Artagnan sank auf die Knie und betete. Athos fuhr fort: »Auf, Henker, und verrichte dein Geschäft.«
    »Gern, gnädiger Herr.« versetzte der Henker, »denn so wahr ich Christ bin, so glaube ich, daß ich Gerechtigkeit übe, wenn ich mein Geschäft an dieser Frau verrichte.« Athos näherte sich Mylady und sagte: »Ich verzeihe Euch das Böse, das Ihr mir angetan, ich verzeihe Euch meine zerstörte Zukunft, meine verlorene Ehre, meine verunreinigte Liebe und mein Glück, das Ihr durch die Verzweiflung, in die Ihr mich gestürzt, für immer vernichtet habt. Sterbet in Frieden.« Lord Winter trat gleichfalls herbei und sprach: »Ich verzeihe Euch die Vergiftung meines Bruder. Die Ermordung Sr. Herrlichkeit des Lord von Buckingham, ich verzeihe Euch den Tod des armen Felton, und verzeihe Euch das, was Ihr mir selber anzutun im Sinne gehabt. Sterbet in Frieden!«
    »Und mir vergebt, Madame,« sprach d'Artagnan, »daß ich durch eine Täuschung, die eines Edelmann» unwürdig war Euren Zorn entflammt, wogegen ich Euch die Ermordung meiner armen Freundin und die grausame Rache vergebe, die Ihr an mir verübt habt. Sterbet in Frieden!«
    »I am lost« (Ich bin verloren!)« stammelte Mylady englisch. »I must die« (Ich muß sterben!)« Darauf erhob sie sich und warf einen von den funkelnden Blicken um sich, die aus einem Flammenauge hervorzusprühen schienen. Sie gewahrte nichts. Sie lauschte und hörte nichts. Sie hatte rings um sich nur Feinde. »Wo soll ich sterben?« fragte sie. »Am andern Ufer,« entgegnete der Henker. Sodann ließ er sie in einen Kahn steigen, und als er auf denselben den Fuß setzte, um ihr zu folgen, reichte ihm Athos eine Summe Geldes. »Nehmt,« sagt« er, »das ist der Lohn der Hinrichtung, damit man sehe, daß wir als Richter zu Werke gehen.«
    »Gut,« erwiderte der Henker, »nun soll diese Frau erfahren, daß ich nicht mehr Gewerbe treibe, sondern meiner Pflicht nachkomme.« Damit schleuderte er das Geld in den Fluß. »Hört,« sprach Athos, »diese Frau hat ein Kind, und doch gedachte sie mit keinem Wort ihres Kindes.« Der Kahn ruderte nach dem linken Ufer der Lys, und trug die Schuldige und den Nachrichter mit sich. Die andern blieben am rechten Ufer und fielen auf ihre Knie. Der Kahn schaukelte langsam den Strick der Fähre entlang unter dem Widerschein einerblassen Wolle, die eben über dem Gewässer schwebte. Man sah, wie er jenseits anlandete. Die Personen zeichneten sich schwarz ab am rötlichen Horizont. Während der Überfahrt gelang es Mylady, den Strick aufzulösen, der ihre Füße band. Als sie nahe am Ufer waren, sprang sie mit Leichtigkeit ans Land und
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