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Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere
Autoren: Alexander Dumas
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saß. Sie stemmte ihren Ellbogen auf einen armseligen Tisch, und legte ihren Kopf in ihre elfenbeinweißen Hände. Man vermochte ihr Antlitz nicht wahrzunehmen, doch zog ein finsteres Lächeln über Athos Lippen hin. Es war kein Irrtum annehmbar; es war dieselbe, die er suchte. In diesem Moment wieherte ein Pferd. Mylady blickte rasch empor, bemerkte dicht am Fenster das blasse Angesicht von Athos und stieß einen Schrei aus. Athos ersah, daß sie ihn erkannt habe, stieß mit dem Knie und der Hand an das Fenster; dieses wich, die Scheiben zerbrachen, und so sprang Athos in das Gemach, ähnlich einem Rachegespenst. Mylady stürzte nach der Tür und riß sie auf. D'Artagnan stand an der Schwelle, noch blasser und bedrohlicher als Athos.Mylady sprang mit einem Schrei zurück. D'Artagnan dachte, daß sie Mittel zur Flucht hätte, und da er ihr Entwischen befürchtete, zog er eine Pistole hervor; aber Athos hob die Hand und sagte: »Gib diese Waffe wieder an ihren Platz, d'Artagnan, diese Frau soll gerichtet und nicht umgebracht werden. Warte noch einen Augenblick, d'Artagnan, und du sollst zufriedengestellt werden. Meine Herren, tretet ein.« D'Artagnan leistete Folge, denn Athos' Stimme war so feierlich, seine Gebärde so mächtig, als wäre er ein vom Herrn des Himmels abgesandter Richter, hinter d'Artagnan traten Porthos, Aramis, Lord Winter und der Mann im roten Mantel ins Gemach. Die vier Lakaien bewachten die Tür und das Fenster. Mylady war auf ihren Sitz zurückgesunken und streckte die Hände aus, als ob sie diese schreckliche Erscheinung beschwören wollte. Als sie ihren Schwager erblickte, stieß sie einen furchtbaren Schrei aus und rief: »Was verlangt Ihr von mir?«
    »Wir verlangen«, erwiderte Athos, »Anna von Breuil, die sich anfangs Gräfin de la Fère und hierauf Lady Winter, Baronin von Sheffield nannte.«
    »Ich bin es,« stammelte sie mit der größten Gemütserschütterung. »Was wollt Ihr von mir?«
    »Wir wollen Sie nach Ihren Verbrechen richten,« versetzte Athos. »Es steht Ihnen frei, sich zu verteidigen; rechtfertigen Sie sich, wenn Sie es vermögen. Herr d'Artagnan! Euch steht die erste Anklage zu.« D'Artagnan trat vor und sprach: »Vor Gott und den Menschen klage ich diese Frau an, daß sie Konstanze Bonacieux, die gestern abend gestorben ist, vergiftet hat.« Er wandte sich um zu Porthos und Aramis. Diese zwei Musketiere riefen: »Wir bezeugen das« —- und d'Artagnan fuhr fort: »Vor Gott und den Menschen klage ich diese Frau an, daß sie mich zur Ermordung des Grafen von Wardes angereizt hat, und da niemand vorhanden ist, damit er die Wahrheit dieser Beschuldigung bezeuge, so bezeuge ich sie. Ich habe gesprochen.« Nach diesen Worten trat d'Artagnan mit Porthos und Aramis auf die andere Seite des Gemachs. »Nun ist's an Ihnen, Mylord,« sagte Athos. Der Baron trat gleichfalls vor und sagte: »Vor Gott und den Menschen klage ich diese Frau darüber an, daß sie den Herzog von Buckingham ermorden ließ.«
    »Der Herzog von Buckingham ermordet!« riefen alle Anwesenden mit einem Schrei. »Ja,« entgegnete der Baron, »ermordet! Auf den Brief, den Sie mir geschrieben haben, um mich zu warnen, ließ ich diese Frau festnehmen, und übergab Sie einem rechtschaffenen Diener zur Behütung; sie verführte aber diesen Mann, steckte ihm den Dolch in die Hand, hieß ihn den Herzog durchbohren, und vielleicht muß in diesem Augenblick Felton mit seinem Kopfe die Missetat dieser Furie bezahlen.«
    »Das ist noch nicht alles,« sprach Lord Winter. »Mein Bruder, der Euch zur Erbin erklärt hatte,starb innerhalb drei Stunden an einer sonderbaren Krankheit, die am ganzen Leibe schmerzliche Male hinterläßt. Meine Schwester, sagt, wie starb Euer Gemahl?«
    »Das ist schaudervoll!« riefen Porthos und Aramis. »Mörderin von Buckingham! Mörderin von Felton! Mörderin meines Bruders! Ich fordere gegen Euch Gerechtigkeit, und wird sie mir nicht gegeben, so nehme ich sie mir selber.« Lord Winter trat nun zu d'Artagnan hin und räumte den Platz für einen andern Kläger. Mylady ließ ihre Stirn in die beiden Hände niedersinken und suchte ihre Gedanken zu entwirren, die von einem tödlichen Schwindel herumgewirbelt wurden. »Jetzt ist an mir die Reihe,« sagte Athos, selber bebend, wie ein Löwe beim Anblick einer Schlange bebt, »jetzt ist an mir die Reihe. Ich heiratete diese Frau, da sie noch ein junges Mädchen war, ich heiratete sie wider Willen meiner Familie; ich gab ihr mein Vermögen, ich gab ihr
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