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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
Autoren: Benjamin Constable
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Einkaufszentren gibt es zwar nicht nur in Paris, die Pariser Versionen jedoch eint eine gespenstische Stille und das Gefühl von Verlassenheit, Geister einer finsteren Vergangenheit. Sie sind von kleinen Läden gesäumt und von gläsernen Dächern überspannt, doch anders als die späteren, prunkvolleren Arkaden in Mailand, Brüssel und Moskau sind sie meist eng und schlecht beleuchtet.
    Es gibt noch etwa zwanzig solcher passages couverts, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind (der Rest wurde im Rahmen der Haussmannschen städtebaulichen Umgestaltung in den 1850erJahren abgerissen). Viele Versuche, ihnen neues Leben einzuhauchen, scheiterten, sodass einige dieser Arkaden heute aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung einen ganz einzigartigen Charakter entwickelt haben. So beherbergt die Passage du Ponceau im 2. Arrondissement heute ausschließlich Süßwarenhändler, während in der Passage du Caire hauptsächlich Bekleidungsgroßhändler zu finden sind und in der Passage Brady im 10. indische, pakistanische und bangladeschische Restaurants. In Letzterer fühlt man sich durch den Duft der exotischen Gewürze regelrecht in ferne Länder versetzt.
    Diese Texte waren alle schön und interessant, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass sie für mich bestimmt waren. Ich schloss den Mein Paris -Ordner und gönnte mir das Vergnügen, Meine Toten zu öffnen. Darin befanden sich sieben weitere Ordner mit den Namen: Tracy , Jay , Daddy , Guy Bastide , Komori , Fremder und Ben Constable .
    Was hatte mein Name in einem Ordner mit dem Titel Meine Toten zu suchen? Ich dachte an die vielen Male, die ich aus Versehen einen Ordner in einen anderen verschoben und nicht mehr wiedergefunden hatte. So etwas kommt nicht jeden Tag vor, aber es kann passieren und dann ist es ziemlich frustrierend. Jedenfalls gehörte ich nicht zu den Toten, so viel war sicher.
    In dem Ben Constable -Ordner fand ich eine Reihe von Dokumenten, die alle nach amerikanischer Art datiert waren – erst der Monat, dann der Tag. Es waren E-Mails von mir und an mich. Haufenweise. Diese hier hatte den Betreff Arbeit nach Plan :
    Mr Constable,
    treffen wir uns heute wie geplant?
Ich werde auf dich warten wie bei Samuel Beckett,
ohne Vorstellung von Tag oder Zeit.
Und wenn du kommst, dann warten wir zusammen.
Mir geht’s echt dreckig, Ben Constable,
aber nur, bis ich dich sehe.
    ISHIKAWA
    Warum hatte Butterfly mir ihren Laptop überlassen? Sie hatte gewusst, dass er mir gefiel, weil er so schön glänzte, aber ich besaß schließlich selbst einen Computer – auch wenn der schon ein bisschen mitgenommen war – und brauchte keine IT-Almosen. Sie hatte fast alles gelöscht und nur einen Haufen wirres Zeug zurückgelassen. Warum hatte sie gewollt, dass ich das alles bekomme? Was sollte ich mit dieser Fotosammlung von Gebäuden und Leuten, die ich nicht kannte? Mit ein paar E-Mails, die auch in meinem eigenen Account gespeichert waren? Mit Auszügen aus einem Paris-Reiseführer, den sie nie geschrieben hatte? Das sollte mein Erbe sein? Na schönen Dank, Butterfly. Irgendwo in all diesem Krempel musste doch etwas für mich sein.
    Plötzlich hatte ich eine Idee und ging ins Internet. Vielleicht war ja ihr E-Mail-Passwort in ihrem Browser gespeichert. Butterfly hatte E-Mails geliebt. Ihr Konto öffnete sich direkt als Startseite. Ich sah siebenunddreißig ungelesene Mails. Kundenservice-Benachrichtigungen, Telefonrechnungen und Werbung. Dies hier war ihr offizieller Account, nicht der für ihre persönliche Korrespondenz. Doch die unterste der ungelesenen Mails in ihrem Posteingang (und damit die erste, die angekommen war) stammte von einer Adresse, die ich sofort wiedererkannte. Von diesem Absender hatte ich unzählige E-Mails bekommen. Es war Butterflys eigentlicher E-Mail-Account, über den sie mit Freunden kommunizierte und ihr Privatleben organisierte. Sie hatte sich selbst eine Mail geschickt.
    Okay, Ben Constable, wenn du langsam den Verdacht bekommst, dass hinter all diesem Wahnsinn, den ich dir hinterlassen habe, irgendeine ziemlich verrückte Methode steckt, dann bist du genauso scharfsinnig, wie ich es von dir erwartet habe. Auch wenn du meinen ganzen Mist vielleicht noch nicht weit genug durchgesehen hast, um zu erkennen, was sich dahinter verbirgt. Das hier sind Teile eines Puzzles, einer Aufgabe. Ein Abenteuer wartet auf dich! Leider ist es nicht gerade brillant geplant, darum wirst du vielleicht selbst noch ein paar Kleinigkeiten hinzufügen
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