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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco
Autoren: Bernhard Jaumann
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dann?«
    »Das ist privat«, sagte Sgreccia.
    »Privat!« wiederholte Lidia in einem Ton, der vor Verachtung troff. Mit einer solchen Begründung hätte selbst der Papst vergeblich um die Schlüssel gebettelt. Lidia drehte sich um und zog die Tür hinter sich zu.
    Bevor sie ins Schloß fiel, fragte Sgreccia schnell: »Was kosten eigentlich neue Bänke für die Kirche?«
    Die Tür öffnete sich wieder einen Spalt.
    »Warum?« Lidias Stimme war pures Mißtrauen.
    »Ich erwäge eine Spende«, sagte Sgreccia würdevoll. Er rückte das Revers seiner Anzugjacke zurecht.
    »Du?« fragte Lidia.
    »Ja, ich.«
    »Für eine Kirchenbank?«
    »Für alle Kirchenbänke. Ein ganzes neues Set.«
    Lidia ließ die Tür langsam aufschwingen. Sie kniff die Augen zusammen und überlegte. Dann sagte sie: »Ich habe mich schon mal unverbindlich informiert, es gibt da unterschiedliche Modelle. Für uns alte Leute, die mit dem Knien ihre Schwierigkeiten haben und überhaupt nicht mehr so rüstig sind wie früher – und leider sind es ja nur die, die regelmäßig in die Kirche gehen –, ist es unbedingt erforderlich, daß …«
    »Du wirst schon das Richtige aussuchen«, sagte Sgreccia.
    »Mit Polsterung?« fragte Lidia ungläubig. »Und du bezahlst?«
    Sgreccia nickte.
    »Alles?«
    »Ich bin zweiundachtzig Jahre alt«, sagte Sgreccia. »Ich kann mein Geld nicht mit ins Grab nehmen.«
    Lidia war nicht sicher, was sie davon halten sollte. Wahrscheinlich hatte Sgreccia schlimme Sünden gutzumachen,von denen keiner wußte. Für die Absolution war allerdings ein geweihter Pfarrer zuständig, da mußte sie sich heraushalten. Andererseits lockten die neuen Kirchenbänke, um deren Anschaffung sie jahrelang vergeblich nachgesucht hatte. Gepolsterte Kirchenbänke! Im Glauben lag die Kraft, und die Wege des Herrn waren unerforschlich! Warum sollte Gott nicht ein Wunder zugunsten der Hüftsteifen und Kniekranken Monteseccos vollbringen? Und wieso sollte er sich nicht des alten Sgreccia dafür bedienen?
    Lidia Marcantoni beschloß, dem Herrn zu danken und sofort eine Kerze anzuzünden. Oder zwei. Sie sagte: »Wenn du dein Versprechen nicht hältst, Benito …«
    »… dann soll mich der Teufel holen«, sagte Sgreccia.
    Er wachte selbst darüber, daß die Putzfrauen in den nächsten beiden Stunden auf Hochtouren arbeiteten. Sie waren noch nicht ganz mit dem Pfarrhaus durch, als ein Möbelwagen in Montesecco ankam. Nur mit viel Rangieren und noch mehr Fluchen gelang es dem Fahrer, die engen Ecken vor der Piazza zu überwinden und zum Pfarrhaus hochzufahren. Er parkte vor der Kapelle des heiligen Sebastian und trieb seine Gehilfen an auszuladen. Als erstes wuchteten sie ein chromglitzerndes Monstrum von Kühlschrank aus dem Laderaum.
    »Mit Eiswürfelautomatik?« fragte der alte Sgreccia.
    »Damit können Sie das ganze Dorf vereisen«, sagte der Fahrer.
    »Die Treppe hoch. Erster Raum rechts«, sagte Sgreccia.
    Der Rest der Kücheneinrichtung bestach durch kühle Eleganz in Aluminium und poliertem grauen Marmor. In das große Zimmer wurde ein riesiges rotes Ledersofa geschleppt, dazu ein Jugendstileßtisch mit acht passenden Stühlen, eine Musikanlage, ein DVD-Player, ein Fernsehapparat mit einem Bildschirm, dessen Dimensionen an die Leinwand des Kinos in Pergola erinnerten, und ein schwarz lackiertes Klavier. Den Billardtisch dirigierte Sgreccia ganz nach oben.
    »Was soll das werden?« fragte Ivan Garzone, der mit einem Karton leerer Weinflaschen aus seiner Bar schräg gegenüber getreten war. Er stellte den Karton neben der Tür ab. Seine Frau Marta schüttelte den Kopf. Ihrem Sohn stand der Mund vor Staunen offen. Nach und nach fand sich halb Montesecco auf der Piazzetta ein.
    »Alles in Ordnung, Benito?« fragte der alte Curzio besorgt.
    »Was ist denn hier los?« fragte Milena Angiolini, nachdem sie sich zwischen den Möbelpackern und einem gerade vor der Kirche einparkenden Fiat Panda durchgekämpft hatte. Die schaulustigen Dorfbewohner waren an das Mäuerchen am Rand der Piazzetta zurückgedrängt worden. Benito Sgreccia würdigte sie keines Blickes, geschweige denn einer Erklärung.
    Der Fahrer des Fiat Panda stieg aus. Er war ein kleines, hageres Männchen, das in seinem schwarzen Frack verloren wirkte. Unschlüssig ging er auf die Gruppe an der Mauer zu, kam aber nicht an den Möbelpackern vorbei, die einen riesigen Spiegel zum Pfarrhaus schleppten. Sgreccia zeigte auf eines der Fenster unter der Dachterrasse. »Nach oben! Genau wie das
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