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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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mochte er sich schon gar nicht nennen lassen. »So? Und wer bist du?«
    Der Bursche zog die Brauen hoch, als ob fragen unverschämt wäre. »Ich heiße Colin.« Er konnte nicht viel älter als Lucinda sein, schätzte Tyler, aber wegen seiner Größe, seiner komischen Erwachsenensachen und seiner steifen Art dazustehen wirkte er älter.
    »Wir sollen uns bei Mrs. Needle melden.«
    »Das ist meine Mutter. Sie ist im Moment sehr beschäftigt, aber ich denke, ich kann euch zu ihr bringen.« Er trat zur Seite und winkte sie herein, als ob auch er sehr beschäftigt wäre und sich aus purer Freundlichkeit kurz mal eben Zeit für sie nähme. Er bot nicht an, ihnen mit dem Gepäck zu helfen.
    Tyler war überrascht von der Größe der Eingangsdiele – sie wirkte eher wie die Lobby eines alten Hotels. Ein großer schwarzer eiserner Kronleuchter mit Dutzenden von Glühbirnen hing von der hohen Decke herab – es gab also immerhin Strom –, und viele museumsmäßige alte Bilder von Leuten und Landschaften zierten die Wände, die hellgrün gestreift tapeziert waren. Dünn gepolsterte Bänke und dick gepolsterte Sofas mit Blumenmuster standen an sämtlichen Wänden und flankierten ein knappes Dutzend Türen, die von diesem ausgedehnten Eingangsbereich abgingen. Die Mitte der Diele war von einer breiten Treppe beherrscht, die sich weiter oben Y-förmig gabelte.
    »Sound of Music«, sagte Lucinda leise.
    »Was?«
    »Erinnerst du dich nicht, die singenden Kinder? Das war auf einer Treppe wie der da.«
    Tyler verdrehte die Augen. Das war früher der Lieblingsfilm seiner Schwester gewesen, nicht seiner. Trotzdem war auch er von der Treppe fasziniert, nicht weil sie aussah, als wartete sie auf die Trapp-Kinder, sondern weil er jetzt bemerkte, dass beide Flügel direkt an der Wand endeten – keine Flure, keine Absätze, keine Türen. Die großartige Treppe führte nirgendwohin.
    »Hier lang«, sagte Colin.
    Tyler beugte sich zu seiner Schwester. »Scooby-Doo, wo bist du?«, flüsterte er grinsend, doch Lucinda blickte ein wenig genervt und schien seinen Witz nicht so lustig zu finden.
    Colin führte sie durch die Diele bis ganz nach hinten und öffnete eine Tür. Dahinter ging es in eine Küche, die drei- oder viermal so groß war wie bei ihnen zu Hause das Wohnzimmer. Töpfegeklapper und Wasserrauschen scholl ihnen entgegen. Mehrere Leute schienen hier zu arbeiten, aber Tyler konnte niemand sehen, weil Colin ihm die Sicht versperrte.
    »Mutter«, meldete dieser, »die Kinder sind hier.«
    Gleich darauf kam eine Frau in einem etwas altmodischen Baumwollkleid heraus und ließ hinter sich die Tür zufallen, womit die lebhafte Küchenszene schlagartig wie weggeblendet war. Ihre schwarzen Haare waren lang und glatt wie bei einem Mädchen und ihre Haut noch blasser als die ihres Sohnes, weshalb ihr Alter schwer zu schätzen war. Auf ihre dünne, spitzknochige Art sah sie nicht schlecht aus, doch was sie außergewöhnlich machte, bemerkte Tyler, waren ihre graublauen Augen, die so durchdringend blickten, dass sie beinahe funkelten.
    Eine Weile betrachtete die Frau die Kinder, und diese betrachteten sie. Schließlich lächelte sie. Es war nicht das heiterste Lächeln, das Tyler je gesehen hatte, eher wie man es von einer Lehrerin bekam, wenn man die Hausaufgaben nicht gemacht hatte und es mit einer scherzhaften Entschuldigung versuchte.
    »Willkommen auf der Ordinary Farm, Kinder«, sagte sie. »Ich bin Patience Needle, Mr. Goldrings rechte Hand und die Haushälterin auf der Farm. Ich werde mich um euch kümmern, während ihr hier seid.«
    »Cool. Wann kriegen wir denn die Tiere zu sehen?«, fragte Tyler.
    Ihr Lächeln verschwand für eine Sekunde, doch als es zurückkam, wirkte es vollkommen freundlich und natürlich. Mit ihrem englischen Akzent hörte sich Mrs. Needle wie eine von diesen Klasseschauspielerinnen im öffentlichen Fernsehen an. »Über diese konkreten Sachen entscheidet natürlich Mr. Goldring«, sagte sie. »Aber ich bin sicher, er wird euch die Farm recht bald zeigen wollen.«
    »Wo ist er?«, fragte Lucinda. »Unser Onkel, meine ich. Großonkel.«
    »Es geht ihm heute leider nicht besonders gut, sonst hätte er euch persönlich empfangen. Er hat mich gebeten, ihn zu entschuldigen. Colin wird euch nach oben auf eure Zimmer bringen.«
    »Mutter«, sagte Colin, als hätte sie von ihm verlangt, die beiden auf den Schultern hinaufzutragen. »Ich habe zu tun!«
    »Das kann warten, bis du Lucinda und Tyler ihre Zimmer
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