Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition)
Autoren: Joanna Bourne
Vom Netzwerk:
noch in zwölf Metern Entfernung zu finden war.
    Er verschaffte sich einen Überblick über das Gelände. Offenes Terrain zu drei Seiten. Durch die großen, scheibenlosen Fenster würde er Besucher sehen, und er würde sie hören, wenn sie auf Glas traten. Er hasste es, wenn man sich an ihn anpirschte.
    Hawker folgte ihm, unter seinen Füßen klirrte das Glas. »Die Jungs in dem stinkenden kleinen Dorf da haben jahrelang auf diese Gelegenheit gewartet.«
    »Ach ja?«
    »Sie haben davon geträumt. Sie haben in ihren primitiven Hütten im Dorf gehockt, bei geschlossenen Fensterläden und während der Wind durch sämtliche Ritzen zog. Und dann haben sie an das ganze feine Kraut hier drinnen gedacht, das warm und glücklich hinter Glas verhätschelt wurde. Während sie da unten im Dunkeln bibbern mussten, haben die hier oben Blumen gezüchtet.«
    »Damit hat man jedenfalls aufgeräumt. Keine Blumen mehr.«
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie Hawker sich bückte, einen Stein aufhob, ausholte und warf. Mit einem feinen, silbrig klingenden Misston ging Glas zu Bruch. Die heldenhaften Revolutionäre von Voisemont hatten eine Scheibe übersehen. Nun war die Zerstörung komplett.
    »Ich hätte kein Auge zugetan, hätte ich gewusst, dass noch ein Fenster übrig ist«, erklärte Hawker.
    »Musst du sonst noch etwas kaputt machen, um es hier drinnen gemütlich zu finden?«
    »Das langt.« Der Junge stocherte in den Scherben eines Tontopfes, wo jemand eine Orchidee mit allem Drum und Dran auseinandergenommen hatte. »Sie haben diesen Ort gehasst. Mehr als das große Haus. Es überrascht mich, dass sie ihn nicht Stein für Stein auseinandergenommen haben.«
    »Vielleicht tun sie das noch. Es ist ja noch Zeit.« Da ist ganz schön viel Hass in dir, was? Doch du bist es wert, dass man wenigstens versucht, dich zu retten, wenn du solche Dinge wahrnimmst . »Bring die Tiere in den Gemüsegarten. Wenn sie sich dabei auch nur ein Stückchen Glas in die Hufe treten, lasse ich es dich mit den Zähnen wieder herausholen. Und bring etwas Stroh her. Wir werden es auf dem Boden ausbreiten. Warum sollen wir diese Nacht nicht schön weich liegen?«
    »Stroh. Ich liebe Luxus.«
    Plötzlich schossen drei Schwalben aus dem Giebel am Ende des Stalles. Hätte er gerade in die andere Richtung geschaut, wäre es ihm entgangen.
    Vermutlich hatte es nichts zu bedeuten. Vögel erschreckten sich bei jeder auch noch so kleinen Gelegenheit. Doch ihm sträubten sich die Nackenhaare. Und auch die Esel waren unruhig. Irgendwer beobachtet uns .
    »Was?« Die Hand des Jungen schwebte über dem Messer, das in seinem Hosenbund verborgen war.
    »Dreh dich nicht um.«
    »Wo sind sie?«
    »Im Stall. Ganz hinten links. Du bewegst dich langsam aus der Schusslinie. Kümmere dich um unsere vierbeinigen Brüder.«
    »Ihre Brüder vielleicht. Nicht meine.« Er gab ein geschmeidiges Achselzucken für potenzielle Zuschauer zum Besten – eine verdammt ausdrucksvolle französische Schulter entwickelte er da – und schlenderte pfeifend von dannen, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Der Junge war der geborene Schauspieler. Trotzdem würde er ihn zum Spion ausbilden. Falls er ihn nicht vorher umbringen musste.
    Er schlenderte zu der fast zwei Meter hohen Steinmauer, die den Gemüsegarten einfasste, und machte sich an seiner Hose zu schaffen, wie ein Mann auf der Suche nach einer guten Stelle zum Pinkeln. Als sich ein recht üppiger Buchsbaum zwischen ihm und dem Stall befand, schwang er sich über die Mauer, wo er auf der anderen Seite in einem Kräuterbeet landete.
    Und dabei Basilikum zermalmte. Jetzt würde er nach Basilikum riechen und sich jedermann weithin ankündigen. Sei’s drum. Geduckt eilte er an der Mauer entlang und blieb dabei stets auf dem Erdboden, um nicht gehört zu werden. Noch zehn Meter, dann war er auf der Höhe des Stalls. Er sprang wieder zurück über die Mauer. Kein Wachposten. Alles ruhig. Keine Menschenseele.
    Das Gefühl, dass drinnen jemand lauerte, wurde stärker.
    Die Hintertür zur Sattelkammer stand offen. Er pirschte sich voran, auf der Jagd nach dem, was auch immer ihn da drinnen erwartete.

3
    Sie wusste, wie man sich ruhig verhielt. Das war die erste Tatsache von Bedeutung, die Doyle über sie erfuhr. Sie stand so beherrscht und geduldig da, dass sie förmlich unsichtbar war. Die meisten Menschen konnten nicht einmal zwei Minuten stillstehen, ohne herumzuzappeln.
    Die Frau stand im Schatten unter dem Heuboden vor dem Fenster, wo sich ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher