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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition)
Autoren: Joanna Bourne
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besonders interessant.
    Er sah sich um, während er in Gedanken schon seinen Bericht verfasste.
    Château de Fleurignac war so groß wie das Haus seines Vaters, Bengeat Court. Es war auch so alt wie Bengeat. Sechzehntes Jahrhundert. Erbaut aus dem hiesigen Granit, über den sie von der Küste bis hier gestolpert waren. Das Dach hatte sich hier und da durchgebogen, als die Hölzer nachgaben, und zierte die Ruine mit einem grauen Buckel. Jedes Fenster war mit einer schwarzen Rußschicht überzogen.
    Sie haben diesen Ort wirklich gründlich abgefackelt, das muss man sagen .
    Aus den Nischen im oberen Bereich des Gebäudes waren Statuen herausgekippt. Bruchstücke einer steinernen Hand, die eine Schriftrolle hielt, lagen vor seinen Füßen. Die abgebrochene Marmorzeile dort drüben stellte die Falte einer Toga dar. Ein Werk der Spätantike. Römisch, nicht gallorömisch. Kaiser und Poeten, von den Bauern aus Voisemont-en-Auge krachend zu Fall gebracht. Ein trauriges Ende, weit entfernt von der Sonne Italiens.
    Die marmornen Nymphenstatuen in den akkurat angelegten Gärten waren systematisch geköpft worden. Was in Frankreich gerade in Mode war … das Köpfen.
    Hawker wand sich durch die im Hof liegenden Trümmer, indem er seine Füße mit Bedacht geschickt dazwischensetzte. »Wie nennt man … dieses lange Tier?« Mit der Hand beschrieb er eine Welle. »Auf dem Boden. Mit Fell. Dieses böse.«
    Wahrscheinlich dachte er an ein Wiesel. » Belette .«
    »Das meinte ich. Ich werde ihnen Wiesel in ihre langen, pelzigen Eselsohren stecken. Die werden dann an ihrem Hirn knabbern.«
    »Was ungemein helfen dürfte.«
    »Ich will, dass sie einen langsamen Tod erleiden, damit ich es in aller Ruhe genießen kann. In den Gärten ist niemand, weder tot noch lebendig. Das ganze Gras ist von Karren und Pferden aufgewühlt. Vier verschiedene Karren, um Ihrer Frage zuvorzukommen. Und nirgends gibt es noch etwas, das sich zu stehlen lohnt.« Abschätzig musterte er die zerbrochenen Stühle, die beschmutzten Seidenstoffe und die zerstörten Gemälde. »Ich will Ihnen meine Expertenmeinung verraten. Man kann einen Ort plündern oder ihn bis auf die Grundmauern niederbrennen. Aber beides gleichzeitig zu versuchen, ist ein Fehler.«
    »Dann hat da wohl jemand schlecht geplant. Siehst du das? Da oben?« Geschmolzenes und abgekühltes Blei hing in dicken schwarzen Eiszapfen vom Dach.
    »Das ist … ähm …« Hawker rieb sich die Stirn, als er angestrengt über das französische Wort nachdachte. »Blei.«
    »Richtig. Blei. Das ist ungefähr die drittwichtigste Sache hier und daher interessant für mich. Warum wohl?«
    Hawker hatte keine Ahnung. Und er hasste es, etwas nicht zu wissen. »Weil es Sie an die Bleisoldaten erinnert, mit denen Sie als Hosenmatz gespielt haben?«
    Sehr witzig. »Blei ist knapp in Frankreich. Das da dürften drei – vielleicht dreieinhalb – Tonnen sein. Sie werden es abschlagen und zu Munition für die Republik verarbeiten. Irgendwann demnächst werden wir diesem Blei auf irgendeinem Schlachtfeld auszuweichen haben.«
    Kalte Augen starrten ihn aus einem ungerührten Gesicht an. »Sie vielleicht. Ich nicht. Nur Dummköpfe krepieren auf Schlachtfeldern.«
    Du bist kein bisschen patriotisch, Junge. Doch wenn man bedenkt, aus welchem Höllenloch in London du kommst, kann ich mir auch keinen Grund vorstellen, warum es anders sein sollte. »Ich wäre vorsichtig mit solchen Äußerungen. Die Götter haben Sinn für Humor. Und zwar einen ziemlich merkwürdigen. Wir lagern heute Nacht hier.«
    Was die Nebengebäude betraf, hatte das Feuer Partei ergriffen. Die Meierei war unversehrt, die Remise vollständig abgebrannt. Die Kutschen hatte man nach draußen gezogen, umgekippt und in Brand gesteckt. Bis auf den Holzrahmen und herabbaumelnde Lederriemen war nichts mehr von ihnen übrig. Den Stall hatte man nicht angerührt.
    Wenn sein Vater auf ihn böse gewesen war oder seine Brüder randaliert hatten, hatte er auf Bengeat die Nacht im Stall verbracht. Doch hier, in feindlichem Land, verspürte er nur wenig Lust, in einem geschlossenen Raum zu schlafen. Da war die Orangerie schon besser. »Da rein.«
    Die Orangerie war nun, da das Dach hier und da offen war, dem Wind ausgesetzt. Alle Fenster waren eingeschlagen, die Orangenbäumchen zertrampelt, die Pflanzgefäße umgekippt. Die Treibhausgewächse hatten sie in Grund und Boden gestampft. Der Fliesenboden war mit glitzerndem Glas übersät, das an den Wänden in Haufen lag und
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