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Die Doppelgaengerin

Die Doppelgaengerin

Titel: Die Doppelgaengerin
Autoren: Linda Howard
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Strähnchen. Genau wie ich. Damals fiel es mir nicht auf, weil ihre Haare kürzer waren als meine; erst später, als sich ein Detail zum anderen fügte, ging mir auf, dass sie die gleiche Haarfarbe hatte wie ich. Dann fing sie an, die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zu bündeln, damit sie ihr beim Trainieren nicht im Weg waren. Und wer hatte wohl auch einen so hohen Pferdeschwanz, wenn sie trainierte?
    Ich schminke mich kaum, wenn ich ins Studio gehe, weil das nur Zeitverschwendung ist; sobald ein Mädchen richtig ins Schwitzen kommt, hat keine Schminke eine Chance. Außerdem habe ich gute Haut und hübsche dunkle Brauen und Wimpern, weshalb es mir nichts ausmacht, mit nacktem Gesicht herumzulaufen. Allerdings habe ich eine Schwäche für eine Glistening Lotion, die meiner Haut einen sanften Schimmer verleiht. Nicole fragte mich, welche Lotion ich nehme, und ich dumme Kuh verriet es ihr. Ab dem nächsten Tag schimmerte auch Nicoles Haut.
    Ihre Sportsachen wurden meinen immer ähnlicher: ein Gymnastikanzug und Legwarmer, wenn ich wirklich Sport treibe, und Yogahosen, wenn ich mich ums Geschäft kümmere. Nicole begann einen Gymnastikanzug und Legwarmer zu tragen und ansonsten in Yogahosen rumzuhüpfen. Und ich meine hüpfen. Ich glaube nicht, dass sie einen BH besaß. Leider gehörte sie zu den Frauen, die einen tragen sollten. Meine männlichen Mitglieder (ich liebe diesen Ausdruck) schienen an dem Spektakel Gefallen zu finden, aber mir wurde von dem Gewackel und Geschaukel so schwindlig, dass ich ihr immer angestrengt in die Augen sah, wenn ich mit ihr reden musste.
    Dann kaufte sie sich ein weißes Cabrio.
    Es war zwar kein Mercedes, sondern ein Mustang, aber trotzdem – es war ein Cabrio und es war weiß. Wie peinlich kann so jemand eigentlich werden?
    Vielleicht hätte ich mich geschmeichelt fühlen sollen, aber das tat ich nicht. Es war nicht so, als hätte Nicole mich so toll gefunden und aus lauter Bewunderung kopiert. Im Gegenteil, ich glaube, sie konnte mich nicht ausstehen. Wenn sie mit mir redete, war das Saccharin in ihrer süßen Art immer ein bisschen zu deutlich herauszuschmecken, klar? In Nicole-Sprech bedeutete: »Ach, Schätzchen, das sind echt supergeile Ohrringe!« in Wirklichkeit: »Ich will sie dir aus den Ohren reißen und nur ein paar blutige Fetzen dranlassen, du Schlampe.« Ein anderes Mitglied im Club – natürlich eine Frau – meinte einmal sogar, nachdem sie Nicole mit hüpfenden Brüsten und wackelndem Po von dannen scharwenzeln sah: »Die Frau würde dir liebend gern die Kehle aufschlitzen, dich mit Benzin übergießen, anzünden und im Rinnstein liegen lassen. Und am allerliebsten würde sie wiederkommen, nachdem das Feuer ausgegangen ist, und auf deiner Asche tanzen.«
    Na? Ich bildete mir das also nicht nur ein.
    Weil ich einen möglichst bunt gemischten Club haben wollte, musste ich praktisch jeden Bewerber aufnehmen, was im Grunde kein Problem war, obwohl ich manchen eher haarigen Kandidaten am liebsten vorab zur Elektrolyse geschickt hätte; aber zum Ausgleich gab es eine Klausel im Mitgliedsvertrag – den jeder Bewerber bei der Aufnahme unterzeichnen musste –, dass die Mitgliedschaft nicht verlängert wurde, wenn sich mindestens drei andere Mitglieder beschwert hatten, weil der oder die Betreffende störendes oder belästigendes oder schamloses Verhalten gezeigt hatte.
    Da ich Profi bin, hätte ich Nicole nicht rausgeworfen, nur weil sie mir tierisch auf die Nerven ging. Es fiel mir schwer, professionell zu bleiben, aber ich konnte mich beherrschen. Da Nicole Nicole war, provozierte, beleidigte oder verärgerte sie praktisch jede Frau, mit der sie zu tun hatte. Sie veranstaltete regelmäßig eine Sauerei im Umkleideraum und überließ es den anderen, ihr hinterherzuräumen. Sie lästerte über andere Frauen, die nicht ganz so gut in Form waren, und hielt stundenlang die Geräte besetzt, obwohl jede Trainingseinheit auf dreißig Minuten begrenzt war.
    Meist erreichten mich die Klagen in Form von bissigen Bemerkungen, aber hin und wieder wandte sich auch eine Frau mit loderndem Blick an mich und bestand darauf, eine formelle Beschwerde einzureichen. Ich danke all diesen tapferen Frauen.
    Als Nicoles Jahresvertrag auslief, waren deutlich mehr als drei Beschwerden eingegangen, darum konnte ich ihr – ganz behutsam natürlich – darlegen, dass sie ihre Mitgliedschaft nicht verlängern konnte und ihren Schrank ausräumen sollte.
    Der Aufschrei, den ich mir damit einhandelte,
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