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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein
Autoren: Sebastian Thiel
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viel Haut zeigte. Ihre Ausschnitte waren tief. Es war ein Sammelsurium an hastig zusammengeschneiderten Kleidungsstücken, trotzdem wirkte das Gesamtbild stimmig. Die Nonnen hatten ganze Arbeit geleistet. Unterröcke hatten die Huren weggelassen, die Träger einiger Kleider rutschten den Frauen bei jedem Schritt über ihre Schultern, der Ansatz ihres Busens war im fahlen Schein des Mondes zu erkennen. Auch der Schmutz war aus ihren Gesichtern verschwunden, die langen Haare trugen sie hochgesteckt oder offen. Angeführt wurde der Tross von Elisabeth, flankiert von der rothaarigen Pauline und Uta, die als Größte aus der Gruppe herausstach.
    »Da brat’ mir einer ’nen Storch«, entfuhr es Jakob. Er baute seine hünenhafte Gestalt auf, stemmte die Hände in die Hüften und leckte sich genüsslich über die Lippen. »Wenn das nicht mal ein Anblick ist.«
    »Halt dich zurück, die Mädchen sind nicht dafür da, damit du einen schönen Abend hast«, scherzte Maximilian.
    »Zu schade«, hauchte Ratte. Aus seinen Augen sprach die gleiche Begierde, die auch bei Jakob zu finden war.
    Endlich hatte der Tross die drei erreicht.
    »Wir sind bereit«, sagte Elisabeth und hob die halb leere Flasche mit Messwein in die Höhe. »Ein Abschiedsgeschenk von Schwester Agathe. Die Schwestern werden für unser Wohl beten und meinten, dass unsere List hiermit noch bessere Erfolgsaussichten hat.«
    Maximilian nickte, deutete ein Lächeln an. »Sie ist eine kluge Frau.« Er räusperte sich, berührte anschließend Elisabeths Arm. Sie verstand seine Geste. Gemeinsam entfernten sie sich ein paar Schritte von der Gruppe.
    »Ich fühle mich nicht wohl dabei, wenn du mitgehst«, flüsterte er und strich über ihre Wange. Die blonden Locken hatten zu alter Pracht zurückgefunden, wippend hingen sie über ihre Schultern, umrahmten das makellose Gesicht. »Wenn dir und … unserem Kind etwas passieren würde …. Ich möchte die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Ich kann nicht …«
    »Sei still.« Mit festem Blick legte sie einen Finger auf seine Lippen. »Gerade weil wir die Missgriffe der Vergangenheit nicht wiederholen dürfen, muss ich es machen, Maximilian. Es gibt keine andere Möglichkeit, Bela aus den Klauen des Majors zu retten. Verstehst du mich nicht? Ich muss es einfach tun.« Langsam glitt ihre Hand herab, sie strich sich über das eigene Handgelenk und fuhr die Narbe entlang. Auf einmal verlor ihre Stimme an Festigkeit, als wäre sie gedankenverloren an einem anderen Ort, ganz weit weg. Vielleicht in Kempen, in jener Nacht auf dem von Feuer erhellten Marktplatz, als sie Antonella als Hexe beschimpfte.
    »Ich habe einmal schon ein Mädchen im Stich gelassen, welches mir lieb und teuer war. Ein zweites Mal werde ich es nicht tun.«
    »Elisabeth, bitte bleib hier.«
    »Nein, wenn ich auch nur einen Teil meiner Taten sühnen möchte, dann muss ich es tun.«
    »Es gibt keine Möglichkeit, dich davon abzubringen?«
    Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. Sie schenkte ihm einen atemberaubenden Augenaufschlag und schüttelte den Kopf. »Ich muss es tun, für Antonella.« Sie griff Maximilian in den Nacken, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn leidenschaftlich. »Wenn alles klappt, sehen wir uns im Gasthof.«

    *

    Unwohlsein und Aufregung hatten keinen Platz in ihrem Gemüt. Mit aller Macht versuchte sie, die aufkommenden Gefühle zu unterdrücken und Entschlossenheit in ihre Stimme zu legen, als sie um die Ecke bog und sich mit jedem Schritt dem Gasthof näherte. Noch einmal drehte sie sich zu der Gruppe von Frauen um und musterte jede einzelne von ihnen. In ihren Augen loderte eine stille Wut.
    »Ihr wisst, was zu tun ist?«
    Die Frauen nickten.
    »Gut. Dann machen wir mal Lärm.«
    Elisabeth setzte sich die Flasche mit Messwein an die Lippen, trank einen Schluck und verschüttete ein wenig auf ihr Dekolleté und das Kleid. Die Frauen taten es ihr nach. Elisabeth drehte sich um und machte einen energischen Schritt auf den Gasthof zu. In ihrem Rücken begannen die Frauen, Lieder anzustimmen. Pauline drückte sich fest an sie heran, gemeinsam begannen sie zu wanken und klirrend die Flaschen aneinanderzustoßen. Helles Lachen erfüllte die Straße. Niemand konnte überhören, dass über ein Dutzend Frauen, vom Alkohol in beste Laune versetzt, auf der Straße unterwegs war. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich die ersten Köpfe im Innenhof der Gaststätte zeigten. Die Augen der Soldaten weiteten sich. Die
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