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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien
Autoren: Tereza Vanek
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strahlend rot leuchtete wie einst. Nur die grünen Augen waren von der Zeit unberührt geblieben. Sie blitzten leicht hochmütig, doch auch voll echter Freude.
    »Meine kluge Nichte! Ich habe Gerüchte gehört, dass du auch zur Krönung gekommen bist, und ließ nach dir suchen.«
    Schon fand sich Marie in einer Umarmung wieder. Süßes Duftwasser kitzelte in ihrer Nase, das Erinnerungen an ihr Leben als Aliénors Dichterin in Poitiers weckte, und als sie den Druck der vertrauten Arme spürte, empfand sie
mehr Glück über ein Wiedersehen mit Emma als jemals zuvor.
    »Setz dich! Meine Magd wird uns eine Erfrischung bringen«, redete Emma munter weiter, während sie Marie auf einen Stuhl schob. Dann blickte sie ratlos zu den Kindern.
    »Sind das deine?«
    Marie nickte und stellte alle drei vor. Sie war stolz, dass Robert sich wohlerzogen verbeugte und Amélie einen Knicks machte. Ihre älteste Tochter musterte Emmas prächtigen Bliaut aufmerksam. Nur Adèle war zu jung, um von der edlen Erscheinung beeindruckt zu sein. Sie machte ein paar unsichere Schritte in Emmas Richtung, doch Marie hielt sie zurück, da ihre Tante wenig begeistert aussah.
    »Hast du keine Amme? Meine zwei Kinder befinden sich immer in guter Obhut«, meinte Emma auch schon.
    »Offen gesagt habe ich meine Kinder gern um mich. Es stört mich nicht, sie selbst zu versorgen«, erklärte Marie. »In Poitiers gibt es aber eine Magd, die sich um den Nachwuchs von Richards Rittern kümmert.«
    Sie vermied es zu erklären, dass die meisten der Ritter nicht vermählt waren, denn ohne eigenes Land konnten sie sich keine Ehe leisten. Manche von ihnen lebten mit Mägden oder ehemaligen Freudenmädchen zusammen. Die Kinder aus solchen Verbindungen wurden im Palast geduldet, wenn ihre Väter es wünschten. Marie hatte sich an diese nicht unbedingt standesgemäße Gesellschaft gewöhnt. Es war allemal besser, als ganz allein unter den vielen Männern zu sein.
    »Du hattest schon immer deine eigenen Vorstellungen«, erwiderte Emma, während sie ihre Arme vor der Brust verschränkte. »Drei Kinder hast du also.«
    Sie musterte die bildschöne Amélie, doch an Robert blieb ihr Blick länger hängen, strich über sein pechschwarzes Haar und seine olivbraune Haut, offenbar auf der Suche nach
Ähnlichkeiten mit Jean oder Marie. Ein spöttisches Funkeln blitzte in den grünen Augen auf. Emma hatte ihr Gespür für Klatsch und Skandal offenbar nicht verloren. Marie sah, wie ihr Stiefsohn zusammenzuckte, als werde er von einer unsichtbaren Hand geohrfeigt. Vieles wäre leichter gewesen, wenn Robert nicht zum Ebenbild seiner verstorbenen Mutter herangewachsen wäre. Sie vergaß, wie sehr dieser Umstand sie selbst in den ersten Jahren gequält hatte, und griff nach seiner Hand.
    »Auch er ist mein Kind«, erklärte sie und verspürte erleichtert, dass nichts mehr in ihr gegen diese Aussage protestierte.
    »Du bist so vernünftig wie unsere große Aliénor«, sagte Emma und zuckte die Achseln. Dann trat die Magd mit Wein und Süßspeisen ein, als hätte Gott selbst sie gesandt, um eine gespannte Stimmung ein wenig aufzulockern.
    »Also, unsere große Aliénor, sie möchte uns heute Abend sehen«, erzählte Emma, während sie sich mit einem Tuch den Mund abwischte. »In ihrem persönlichen Gemach. Die einstigen Damen von Poitiers. Viele von uns sind ja nicht mehr übrig.«
    Marie nickte. Sie wusste, dass Isabelle de Vermandois gestorben war. Philipp von Flandern hatte sie schließlich mit einem Liebhaber ertappt, diesen Mann vor ihren Augen kopfüber in einer Kloake ertränken lassen und die treulose Gemahlin bis an ihr Lebensende eingesperrt. Marguerite und Constance hatten Henri Enkel geboren, waren aber nach dem Tod ihrer Ehemänner nochmals vermählt worden. Die vernünftige Marguerite lebte nun als Königin in Ungarn. Constance, die sich gegen die von Henri geplante Ehe mit einem seiner Vasallen gesträubt hatte, wurde von ihrem neuen Gemahl wie eine Gefangene gehalten. Nur ein Name fiel Marie noch ein.

    »Was ist mit Alais?«, fragte sie zaghaft.
    Emma nippte an ihrem Weinpokal.
    »Sie wird die Strafe für begangene Sünden erhalten.«
    Marie senkte den Blick. Ebendies hatte sie befürchtet.
    »Sie hat nichts weiter getan, als nach Rosamonds frühem Tod Henris Geliebte zu werden«, warf sie ein, ohne genau zu wissen, welchen Zweck diese Verteidigung erfüllen sollte. »Den Rittern, die Aliénor in der Gefangenschaft bewachten, ist vergeben worden. War das Vergehen von
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