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Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Titel: Die Deutsche - Angela Merkel und wir
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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uckermärkische Hausfrau als die mächtigste Frau der Welt, eine Frau jedenfalls, die sich ihre Bodenhaftung bewahrt hat. Ob sie das in den Sphären, in denen sie mittlerweile schwebt, für alle Zeiten vor dem Abheben schützt, ist eine andere Frage. Vermutlich wäre das für sie die größte Gefahr.
    »Es gab viele Gründe, warum ich damals nicht auf den Gedanken kam, in Angela Merkel die erste Bundeskanzlerin Deutschlands zu erkennen«, schrieb Michael Schindhelm kurz nach Merkels Wahl 2005 in der taz. Der Theatermanager war in den achtziger Jahren Merkels Zimmernachbar in der Adlershofer Baracke des Zentralinstituts für Theoretische Chemie, und er zählt zu den wenigen alten Weggefährten, die über ihre Zeit mit der heutigen Bundeskanzlerin öffentlich reden. »Eine Wonne der Gewöhnlichkeit,so hätte man die Atmosphäre in unserer Abteilung nennen können«, fuhr Schindhelm fort. »Die Kaffeepausen gehörten zur glücklichsten und aufschlussreichsten Beschäftigung in den zweieinhalb Jahren, die ich es an der Akademie aushielt. Die Konzerte, das Kino, bulgarischer Cabernet, Wagner und Gorbatschow und die absurde DDR, an deren Ende doch nicht zu denken war. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe kamen in diesen Gesprächen eigentlich nicht vor.«
    Schindhelm fügte hinzu, man könne die heutige Merkel aus seiner damaligen Kollegin nicht ableiten. Aber ist das so? Denkt man sich Frisur und Garderobe weg, kann man in der Merkel am Forschungsinstitut in Berlin-Adlershof durchaus schon die Merkel im Regierungs-Airbus erkennen. Die angeblich so konturlose Kanzlerin mag zu den wenigen Politikern gehören, die sich ihre Persönlichkeit weitgehend bewahrten – eher jedenfalls als manch ein Konkurrent aus dem Westen, der sich in der Jungen Union schon früh weltanschauliche Entschiedenheit antrainierte. Merkel war bereits 35 Jahre alt, als sie in die Politik ging, in diesem Alter ändert man nicht mehr die gesamte Persönlichkeit.

KAPITEL 2:
GRIECHENLAND
    Es war vorher nicht abzusehen, dass die nachträgliche Geburtstagsfeier für Helmut Kohl in eine dramatische Phase der deutschen Europapolitik fallen würde. Nach Berlin könne der Altkanzler nicht kommen, hatte seine neue Ehefrau wissen lassen. Also musste sich die CDU-Spitze am 5. Mai 2010 nach Ludwigshafen begeben, um dort nachträglich Kohls 80. Geburtstag zu begehen. Zwölf Tage zuvor hatte Griechenland die desolate Lage seiner Staatsfinanzen offiziell eingestanden und Hilfen beantragt. Zwei Tage später sollte der Deutsche Bundestag darüber abstimmen, und am folgenden Sonntag standen in Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen an. Die Kanzlerin freute sich nicht auf dieses Zusammentreffen, weil die Reise nach Ludwigshafen die Strapazen einer ungewöhnlich dramatischen Berliner Woche noch erhöhte. Aber auch, weil vom früheren Bundeskanzler Kritik an Merkels Zögern bei der Euro-Rettung zu erwarten war.
    Dass Kohl darüber wirklich sprechen würde, dass er angesichts seiner angegriffenen Gesundheit überhaupt etwas sagen würde, damit war nicht fest zu rechnen. Er tates. »Ich habe wenig Verständnis für die aktuelle Frage Griechenland«, sagte er mit schwacher Stimme. »Viele bei uns tun, als ginge sie das gar nichts an. Natürlich ist das alles schwierig. Aber wir müssen jetzt alles tun.« Er sei »heute mehr denn je überzeugt, dass die europäische Einigung für Europa und übrigens auch für uns eine Frage von Krieg und Frieden ist und dass der Euro für uns ein Stück Friedensgarant ist.« Eingeleitet hatte er die Passage mit Jugenderinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Merkel selbst hatte ihre Formulierung, ein Scheitern des Euro bedeute das Scheitern Europas, in diesen Tagen noch nicht ersonnen.
    Zweieinhalb Jahre später kam Kohl doch noch einmal nach Berlin. Auch das war eine Botschaft, denn gesundheitlich ging es ihm immer noch schlecht. Es war der 27. September 2012, die CDU richtete für den Pfälzer eine Feier im Schlüterhof des von ihm gegründeten Deutschen Historischen Museums aus. Der Anlass war nicht zwingend, es ging um den 30. Jahrestag seiner Wahl zum Bundeskanzler durch das konstruktive Misstrauensvotum, das er gegen den SPD-Vorgänger Helmut Schmidt gewonnen hatte. Diesmal passte der Termin der Bundeskanzlerin sehr gut, denn sie hatte sich inzwischen entschieden: Griechenland bleibt im Euro, das war die neue Linie, und sie war ganz im Sinne des Europäers Kohl – auch wenn sich Merkel von manchen Freunden des Pfälzers anhören musste, sie gebe
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