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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
Autoren: Gernot Gricksch
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Ernst: Du siehst toll aus. Ich würde dich glatt heiraten, weißt du?«
    Susann seufzte, ob meiner einhundertausendsten Eheavance: »Nun bringen wir heute erst mal Sven und Jörn unter die Haube!«
    »Mit einer Trauzeugin wie dir steht ihre Ehe unter einem guten Stern«, lächelte ich.
    Susann, die Unbefruchtete, küsste mich. Wir wussten beide, dass unser albernes Geschäker bloß unsere Enttäuschung übertünchen sollte.
    * * *
    Es herrschte ein ziemlicher Trubel vor der kleinen Kirche. Sven und Jörn hatten in St. Pauli einen evangelischen Pastor gefunden, der in seiner Kirche eine »eheähnliche Zeremonie« durchführen wollte. Eine exakte Hochzeit durfte er nicht simulieren, selbst mit dieser Feierlichkeit lehnte er sich schließlich schon recht weit aus dem Fenster und riskierte Repressalien durch die Kirchenfürsten. Doch wenn eine Gemeinde es sich herausnehmen durfte, ein wenig in unorthodoxem Verhalten, Liberalität und einer sehr praktischen Umsetzung der christlichen Maxime von Nächstenliebe und Toleranz zu schwelgen, dann war es eindeutig diese: Die Kirche lag direkt in der berühmten Großen Freiheit, war umzingelt von einer Hardrock-Kneipe, der Discothek Kaiserkeller , diversen Peep-Shows, Dönerbuden und Striplokalen.
    Sven und Jörn trugen beide Smokings. Um sie herum wuselte ein recht wilder Haufen. Gemeinsame Freunde, vorwiegend aus der Theaterszene, die diesen Anlass für schrille Selbstdarstellung nutzten. Männer in Frauenkleidern, in Fracks oder blütenweißen Anzügen, die selbst Tom Wolfe vor Neid hätten erblassen lassen. Der weibliche Teil der Gäste legte zumeist mehr Dezenz an den Tag, nur wenige trugen Abendkleider. Francesca, eine Bedienung aus der kultigen Kiez-Bar Angie’s Nightclub , hatte es sich jedoch nicht nehmen lassen, mit Federboa zu erscheinen. Dazwischen haufenweise schick, aber unexzentrisch gekleidete Zeitgenossen, die auch (oder gerade) im Angesicht der anwesenden Lokalpresse nicht den Anschein erwecken wollten, Homosexualität sei zwingend identisch mit Subkultur. Und schließlich waren ja auch nicht alle Gäste schwul oder lesbisch. Einige Verwandte von Jörn standen in einem separaten Grüppchen und gaben ihr Bestes, so zu tun, als wäre dies eine ganz normale Hochzeit.
    Als Piet und Susann erschienen, suchten sie in dem Gewirr vor dem Kirchenportal nach Dilbert und Petra. Als sie sie schließlich entdeckten, spürten sie sofort, dass die Krise, von der Sven ihnen neulich berichtet hatte, noch im vollen Gange war. Die beiden standen nicht direkt Rücken an Rücken, aber dermaßen voneinander abgeneigt, dass man kein Experte für Körpersprache sein musste, um zu sehen, dass sie nicht miteinander sprechen wollten.
    Die vier begrüßten einander kurz. Dann ging Susann zum Bräutigamspaar hinüber, während Piet versuchte, mit dem wortkargen Ehepaar ein Gespräch zu beginnen.
    Es war ein mühsames Unterfangen, das Piet – selbst ja nicht gerade ein Meister des Geplauders – denn auch schnell aufgab. Schweigend standen die drei Freunde da.

    Susann gab Jörn und Sven je einen Kuss auf die Wange. »Das ist er also, der große Tag!«, strahlte sie. Sven lächelte, leicht gequält.
    »Mein Vater sitzt schon in der Kirche. Er ist sehr scheu«, sagte er.
    Susann brauchte die Frage nicht zu stellen, sondern ihren Freund bloß anzuschauen.
    »Nein«, sagte Sven leise. »Meine Mutter ist noch nicht gekommen. Und ich glaube auch nicht, dass sie es tun wird …«
    Gerade, als Susann etwas Tröstendes sagen wollte, erklangen die Glocken vom Kirchturm. In der Kirchentür erschien der Pastor – ein ziemlich junger Typ mit relativ langen, blonden Locken – und bat die Hochzeitsgäste mit einer Geste herein.

    »Oh mein Gott, wie wunderschön!«, dachte Susann, als sie gemeinsam mit Uwe, einem bekannten DailySoap-Schauspieler, der als Jörns Trauzeuge fungierte, zwei Schritte hinter dem Hochzeitspaar durch den langen Gang zwischen den Stuhlreihen auf den Altar zuschritt. Alle Gäste hatten sich erhoben, und oben auf der Empore stand Chantal, die – von Knut am Klavier begleitet – eine hinreißende Interpretation des Country-Klassikers Stand by your man zum Besten gab.
    Es war perfekt!
    Bis auf dieses entsetzliche Ziehen im Bauch! Susanns Periode kündigte sich immer mit diesen leichten Krämpfen an, doch diesmal war es so schlimm wie noch nie. Das müssen diese blöden Hormone sein, die die mir spritzen , dachte Susann.
    Sven und Jörn waren beim Pastor angekommen.
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