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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation
Autoren: Rainer Erler
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überschreiten.
    »Vielleicht, weiß noch nicht. Ich recherchiere erst mal.«
    »Wie denn, auf eigene Rechnung? Ohne festen Auftrag?«
    »Ein Flug nach Frankfurt ist gerade noch drin. Irgendwann muß man ja anfangen mit der Selbständigkeit.«
    »Also los, erzähle …!« Rüdiger war widerlich wach um diese Tageszeit.
    »Ein andermal – ungelegte Eier … Wo fährst du hin? Mainz oder Wiesbaden?«
    »Wiesbaden. Auslandsredaktion. Kollege holt mich ab. Du kannst mitfahren. Und dann mit dem Senderbus weiter.« Die ZDF-Redaktionen waren damals noch über Mainz und Wiesbaden malerisch verstreut; das Sendezentrum Mainz-Lerchenberg war erst im Bau. Wiesbaden paßte mir ausgezeichnet. Dort saß das aktuelle forum, für das Roczinski gearbeitet hatte.
    Wir schwätzten weiter. Es war das übliche Blabla. Klatsch über Kollegen, über Intrigen, Politik, Proporzquerelen, Neues von Löwenthal, der Ärger mit ›oben‹, Etatprobleme. »Hast du Roczinski gekannt? Ich meine persönlich?«
    »Natürlich!« – Rüdiger war ohne jedes Mißtrauen. »Was war da nun wirklich?«
    »Was soll da gewesen sein? Doppelter Salto morta le, runter von der Autobahnbrücke. Aus. Weg vom Fenster.«
    »Und sonst? Ihr habt ihn doch kurz vorher gefeuert, das stimmt doch? Warum?«
    »Ja, stimmt. Der Bursche hatte durchgedreht. Der kurvte ein paar Wochen lang kreuz und quer durch Amerika, ohne sich zu melden, ohne Auftrag, ohne Berichte, ohne Ergebnis. Die Telegramme unserer Redaktion hat er ignoriert. Der Alte hat ihm zweimal ein Ultimatum gestellt und ihn zurückbeordert. Kam aber nur der Kameramann – und der hat dann ausgepackt. Ziemlich faule Sache.«
    »Thema?«
    »Gar keins! – Fixe Idee! Als er versucht hat, das ganze Material an die Konkurrenz zu verscheuern, da war natürlich der Ofen aus.«
    »An die ARD?«
    »Quatsch, nee. Drüben, an so ’n Privatsender in Miami. Jetzt liegen die Filmrollen im sonnigen Florida, und keiner von uns kommt mehr ran. Die stellen sich tot.«
    »Was vermutet ihr denn, was da so Sensationelles drauf ist, auf diesen Filmen?«
    »Du, da hab’ ich eigentlich gar nichts mit zu tun. Hab’ das alles immer nur so am Rande mitgekriegt.« Rüdiger fing an, auszuweichen. Langsam faltete er seine Zeitung auseinander.
    »Und wenn ich euch die Rollen besorge, was meinst du, wieviel ist das der Redaktion wert?«
    Ich nahm wirklich nicht an, daß Rüdiger ›Zwanzigtausend Dollar‹ sagen würde.
    Er fragte auch nur beiläufig: »Wieso? Fliegst du irgendwann rüber?«
    »Könnte sein, wenn sich’s lohnt!«
    Rüdiger winkte ab: »Du, laß das! Soviel ich weiß, hat da keiner mehr Interesse bei uns. Wir haben doch selber ein Büro in Washington, da könnte leicht einer runterfliegen nach Miami. Aber schade ums Geld. Nee, vorbei, vergessen!« Das klang ehrlich. Es war wohl doch kein Geheimnis dahinter. Ich hätte mir den Flug nach Frankfurt sparen können. Zehn Minuten am Telefon hätten zum gleichen Ziel geführt. Wingard und seine ›Bombe‹! Für ’ne Flasche Whisky hätte er mir vielleicht eines der Tonbänder vorgespielt. Und ich Idiot falle auf diesen Bluffer herein – Gebrauchtwagen! Zwanzigtausend Dollar! – Und steh’ um halb fünf Uhr auf.
    »Glaubst du an UFOs?« Rüdiger stopfte seine Zeitung in das Netz – hinter die Instruktion für den Ernstfall.
    »UFOs?«
    »Unidentifizierbare Fliegende Objekte, Fliegende Untertassen. Hier war wieder so eine Meldung aus Österreich, und ich dachte schon, der Spuk sei endgültig vom Tisch. Das war übrigens auch das Thema von Roczinskis letzter Reportage. Hast du sie gesehen?«
    »Nein, wann lief die?«
    »Vor ’n paar Monaten. Da war ein Kongreß in Mainz von diesen Leuten, so ’ne Art Sekte, die an diese Dinger glauben. Roczinski hat die einfach reden lassen. Hinterher hat er sie fertiggemacht.«
    »Seine übliche Masche!«
    »War echt komisch – und außerdem der Grund, warum er nach Amerika flog. Fortsetzung, zweiter Teil oder so. Das Thema weiterführen. In den Staaten ist dieser Wahn ja wesentlich populärer als bei uns. Aus Washington und aus Kanada hat er noch Material geschickt.«
    »Und?«
    »Nichts. Unsinn. Die üblichen Augenzeugen, aber keine Information, keine Beweise. Keine grünen Marsmännlein vor Mikrofon und Kamera. Vielleicht war’s das, was ihn nicht mehr schlafen ließ. Reporterehrgeiz. Na ja, Friede seiner Asche!«

 
5
 
    »Genügt eine halbe Stunde?«
    Ein blondes Pferdeschwanzmädchen mit hauchdünnem Pulli über einem fabelhaften
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