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Die Datenfresser

Titel: Die Datenfresser
Autoren: Constanze Kurz
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ich was verbergen?
    Die kritische Frage bei der Suche nach einer eigenen Balance, einem sinnvollen Umgehen mit den eigenen Daten ist: Was ist mir wirklich wichtig, welche Informationen will ich unbedingt für mich behalten? Die Definition dieses Kernbereiches wird nie statisch sein, sondern sich naturgemäß im Laufe des Lebens ändern. Zumindest ab und zu darüber zu reflektieren, wo man gerade die Grenzen zieht, gegenüber wem man welche Dinge keinesfalls offenlegen möchte, ist ein wichtiger Teil des Weges zur digitalen Mündigkeit.
    Sich zu vergegenwärtigen, von wem möglicherweise Bedrohung, Unannehmlichkeiten oder soziale Probleme ausgehen könnten, ist Teil der Übung. Seinem Arzt oder Therapeuten vertraut man Dinge an, die man seinem Chef niemals offenbaren würde. Gute Freunde zeichnen sich eben auch dadurch aus, daß sie peinliche oder kompromittierende Details, die man ihnen preisgibt, für sich behalten. Die Überlegungen, welche Informationen bei wem gut aufgehoben sind, werden nicht einfacher, je mehr soziale Netzwerke Teil unseres Lebens werden und je größer die Möglichkeiten werden, aus nebenbei oder unabsichtlich hinterlassenen Daten Rückschlüsse zu ziehen. Es hilft, die eigenen Absichten, die persönliche Definition des Kernbereiches aufzuschreiben, auch um später besser den eigenen Alltag reflektieren zu können. Ist die Gegenleistung, die ich für die Datenpreisgabe bekommen habe, wirklich adäquat? War es der kleine Verstoß gegen die selbstgestellten Regeln wirklich wert? Um sich dabei nicht in die eigene Tasche zu lügen, helfen ein paar Notizen.
    Die Privatsphäre-Implikationen immer mitzudenken kann dann schnell zur Gewohnheit werden, die einen nicht stärker belastet als das gewohnte Aufpassen im Straßenverkehr oder die persönliche Hygiene. Wenn man öfter kritisch nachfragt, wozu ein Geschäft das Geburtsdatum erfassen will oder was die genauen Überwachungsfunktionen des neuen Computersystems am Arbeitsplatz sind, kann man auch zum Vorbild werden. Denn die meisten Menschen denken über solche Probleme nur nach, wenn sie konkret damit konfrontiert werden. Und wenn häufiger Kunden nachfragen, was die Datenerfassung soll, und sich beschweren, steigen die Chancen, daß sie eingestellt wird.

Werbe-Einflüsterungen widerstehen
    Das Ziel von Werbung ist es, Wünsche zu wecken und uns zum Kauf von Produkten und Dienstleistungen zu verleiten. Menschen sind manipulierbar, Bedürfnisse lassen sich generieren. Das geschieht traditionell oft indirekt, über die Beeinflussung unserer Präferenz für bestimmte Marken durch Plakate, Fernsehwerbung, Zeitungsanzeigen, Radiospots oder auch durch Banner oder Filmchen auf Webseiten. Discounter und Direktvermarkter versuchen hingegen, ganz direkt einen Kaufanreiz durch Anpreisen eines bestimmten Produktes – meist mit günstig erscheinendem Preis – zu schaffen.
    Schon immer waren die Werber bemüht, ihre Avancen möglichst gezielt anzubringen. Bisher geschieht das durch Plazierung im entsprechenden Umfeld, also durch Auswahl der entsprechenden Webseite, Zeitschrift oder Sendezeit. Doch nun kann man die Gewohnheiten der Nutzer im Netz genau verfolgen, was erstmals die Möglichkeit bietet, Werbung individuell zuzuschneiden und hochgradig zielgenau zu schalten. Mehr und mehr verschwimmt dadurch die Grenze zwischen Empfehlungen, Werbung, Suchergebnissen und Orientierungshinweisen.
    Kaum eine Information ist noch garantiert werbefrei, und wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Gerade in sozialen Netzwerken ist es nur noch schwer möglich, herauszufinden, ob ein begeisterter oder abfälliger Erfahrungsbericht über ein Produkt oder eine Dienstleistung tatsächlich echt, eine subtile Werbebotschaft oder Gegenkampagne eines Konkurrenten ist. Da es noch wenig soziale Normen und Regeln dafür gibt, ist die Gefahr groß, daß ganze virtuelle Freundeskreise zur permanenten digitalen Tupperware-Verkaufsparty mutieren.
    Eine weitere wesentliche Frage, die es zur Erlangung der digitalen Mündigkeit zu beantworten gilt, ist daher, wie gut wir wirklich noch den Einflüsterungen der Werbung widerstehen und tatsächlich noch freie Entscheidungen fällen können. Je subtiler die Werbebotschaft, je weniger sie als solche erkennbar ist, desto eher fallen wir darauf herein. Da die Grenzen des optischen Flächenbombardements sowohl im öffentlichen Raum als auch auf Webseiten mittlerweile erreicht sind, verlagert sich der Fokus mehr und mehr auf die
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