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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin
Autoren: Brigitte Melzer
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Tiere gemischt und damit eine Chimäre gezüchtet, deren Essenz in das Samenkorn gesetzt wurde. Der Samen geht eine Verbindung mit dem Körper seines Wirtes ein und soll auf diese Weise die Fähigkeiten verstärken.«
    Der Gedanke, dass es möglich sein sollte, so lange mit ein paar Genen zu experimentieren, bis man einen Cocktail gewann, der derart gefährliche Züchtungen hervorbrachte, war abartig und erschreckend. Es war Logan vollkommen egal, ob diese Leute nun mit Genen gespielt oder ein Portal in eine andere Dimension geöffnet hatten, für ihn gab es nur eine Bezeichnung für die Kreaturen, die sie erschaffen hatten: Dämonen.
    Und die Experimente, die einzig und allein darauf abzielten, die Seher noch mächtiger zu machen, waren für Logan nur ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Seher nicht mit ihrer Position zufriedengeben wollten.
    »Anfangs sah alles gut aus«, fuhr Devon fort. »Die Fähigkeiten der Seher wuchsen tatsächlich. Allerdings hatte niemand geahnt, dass sich die Kreatur daran nährte. Jedes Mal, wenn der Seher seine Fähigkeiten einsetzte, wurde der Dämon in ihm größer und mächtiger. Die Saatkörner wuchsen und dehnten sich immer weiter über den Rücken aus. Bis der Punkt kam, an dem die Kreatur nicht länger nur eine Essenz war. Sie hatte sich verstofflicht und war stark genug geworden, um ihrem Gefängnis zu entkommen.«
    Logan hatte das Bild der zerfetzten Seher noch immer vor Augen. Die Biester hatten ihre Träger getötet und sich gegen jeden gewandt, der sich ihnen in den Weg stellte. Sie hätten ohne Probleme entkommen können, stattdessen hatten sie ihren Hunger an den Polizisten gestillt, die zum Leith Walk gerufen worden waren, wodurch sie rasant an Größe zugelegt hatten.
    »Nach dem Zwischenfall am Leith Walk verbot der damalige Rat alle weiteren Versuche, die mit dem Projekt in Zusammenhang standen.« Langsam kam Devon wieder näher. Er blieb hinter seinem Stuhl stehen, die Hände auf die Rückenlehne gestützt. »Das Labor wurde geschlossen. Sämtliche Dämonen waren – dank dir und deinem Team – vernichtet. Als ich vor drei Monaten als Oberster in den Rat berufen wurde, fand ich jedoch Hinweise darauf, dass die Experimente in kleinerem Rahmen weitergegangen waren. Ich begann nachzuforschen und stieß schließlich auf beunruhigende Aufzeichnungen.« Er schwieg einen Moment, schien mit sich zu ringen, wie viel er verraten konnte. Zum ersten Mal fragte sich Logan, wie schwer es ihm fallen mochte, offen einzugestehen, dass die Gemeinschaft sich nicht an die Vereinbarung gehalten und die Versuche fortgeführt hatte. Dass er dennoch hier war und die Behörde um Hilfe bat, musste er ihm immerhin anrechnen. Es sei denn, er versucht damit, von einer noch größeren Sauerei abzulenken.
    Devon fuhr sich mit der Hand über die Augen, dann richtete er seinen Blick auf Logan. »Niemand – nicht einmal der Rat – schien eingeweiht gewesen zu sein, dass die Versuche fortgesetzt wurden. Der Vorfall auf dem Leith Walk war aus Nachlässigkeit geschehen. Keiner der Beteiligten war damals auch nur ansatzweise auf den Gedanken gekommen, dass mit den Dämonen etwas schiefgehen könnte. Die Seher, die an diesem ersten Versuch teilgenommen hatten, gingen ihren üblichen Tätigkeiten nach, arbeiteten für Polizei, Krankenhäuser und Versicherungen. In regelmäßigen Abständen fanden sie sich im Labor ein, um sich Tests und Untersuchungen zu unterziehen. Das war alles. Keine Quarantäne, keine Sicherheitsvorkehrungen. An jenem Abend hatte eine der Versuchspersonen die anderen zum Leith Walk gerufen. Soweit ich es rekonstruieren konnte, wollte er außerhalb des Labors mit ihnen sprechen, um herauszufinden, ob es auch bei ihnen Veränderungen gab. Bedauerlicherweise zu spät.« Devon seufzte. »Beim zweiten Mal ging das Forschungsteam vorsichtiger vor. Sie achteten darauf, dass niemand bemerkte, was sie trieben. Auffällig war nur, dass es damals eine größere Anzahl an Vermisstenanzeigen gab. Seher, die von einem Tag auf den anderen spurlos verschwanden. Ich weiß nicht im Detail, wie die Versuche abliefen. Alles, was ich herausfinden konnte, war, dass sie die Versuchspersonen im Labor isolierten und sie von ihrem gewohnten Leben fernhielten. Vor zwei Jahren wandte sich Doktor Burke, die Leiterin des Forschungsteams, an den damaligen Rat. Die zweite Generation der ›Superseher‹, wie sie sie nannten, war entkommen.«
    »Was?« Roberts fuhr in seinem Sessel hoch wie eine Sprungfeder.
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