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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin
Autoren: Brigitte Melzer
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zusammen.
    »So ähnlich.« Devon griff in die Innentasche seines Sakkos, zog einen zusammengefalteten Zettel heraus und hielt ihn Logan hin. »Hier ist seine Adresse.«
    Diesmal konnte Logan seine Verblüffung nicht mehr verbergen. Fassungslos starrte er erst den Zettel in seiner Hand und dann seinen Bruder an. »Du weißt, wo er wohnt, und hast nicht dafür gesorgt, dass er in die Gemeinschaft zurückgeholt wird, so wie ihr es mit Abtrünnigen für gewöhnlich macht?«
    »Ich bin der Einzige, der diese Adresse kennt, und ich habe nicht vor, sie jemand anderem als dir zu geben.« Er rückte seine Krawatte zurecht. »Ich stimme Sparks zu. Sein Wissen ist gefährlich. Diese Experimente dürfen nicht mehr fortgesetzt werden – und wenn es hilft, Sparks von der Gemeinschaft fernzuhalten, um das zu erreichen, dann werde ich das tun.«

2
    A lessa Flynn blieb im Schatten eines Hauseingangs stehen und zog fröstelnd ihren Parka enger. Es war Anfang April und mit zwölf Grad waren die Temperaturen für Edinburgh über dem Durchschnitt. Trotzdem fror sie und war froh um die warme Jacke und die Handschuhe.
    Ein wenig umständlich zog sie ihr Handy aus der Jacke, drückte eine Kurzwahltaste und wartete auf das Freizeichen. Wie oft hatte sie während der letzten drei Tage diese Nummer gewählt? Jedes Mal hatte ihr nur die Mailbox geantwortet. Dass Susannah keinen der Anrufe entgegengenommen hatte, war nicht weiter ungewöhnlich. Meistens hörte sie das Handy in ihrer Tasche nicht oder schaffte es nicht, es herauszukramen, bevor die Mailbox sich meldete. Meistens rief sie aber sofort zurück – oder zumindest noch am selben Tag. Dass sie sich bisher nicht gemeldet hatte, hinterließ ein flaues Gefühl in Alessas Magengrube.
    »Bitte geh ran.« Alessa wippte auf den Zehenspitzen auf und ab und lauschte dem Freizeichen. »Mach schon!«
    »Hallo«, erklang Susannahs Stimme nach dem fünften Klingeln, »ich bin gerade nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. Ich rufe zurück.«
    Alessa unterdrückte einen Fluch. »Sanna, wo steckst du? Ruf mich sofort zurück, wenn du das hörst. Ich habe ihn gefunden!« Sie beendete die Verbindung, ließ das Handy wieder in der Tasche verschwinden und richtete ihren Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite. Das fünfstöckige Mietshaus warf seinen langen Schatten auf die Straße und tauchte den Asphalt in ein tristes Grau. Immerhin regnete es nicht mehr.
    Es war Zufall, dass Alessa den Mann gefunden hatte. Sie war auf dem Weg zum Supermarkt gewesen, als sie ihn sah. Mit hochgeschlagenem Kragen und gesenktem Blick war er die Straße entlanggehastet, geradewegs an ihr vorbei. Obwohl sie ihn seit ein paar Jahren nicht mehr gesehen hatte, erkannte sie ihn sofort. Sein schlohweißes Haar und die scharfen Gesichtszüge, die so gar nicht zu seiner fülligen Gestalt passen wollten, waren auffällig genug. Sie hatte kehrtgemacht und war ihm in sicherem Abstand gefolgt, bis er in dem Haus verschwunden war, vor dem sie jetzt stand. Eine Weile hatte Alessa das Gebäude von der gegenüberliegenden Straßenseite aus beobachtet und darauf gewartet, dass er es wieder verließ. Als er auch zwei Stunden später nicht wieder vor die Tür getreten war, kam sie zu dem Schluss, dass er hier wohnen musste.
    Sie dachte daran, es noch einmal bei Susannah zu versuchen, da sie jedoch vermutete, dass dieser Anruf ebenso sinnlos sein würde wie die gefühlten hundert davor, ließ sie das Handy in der Jackentasche und richtete ihren Blick wieder auf die Eingangstür gegenüber. Sie hatte so lange auf eine Gelegenheit wie diese gewartet, doch plötzlich war sie nicht sicher, wie sie die Sache angehen sollte. Eine Weile starrte sie auf den Eingang, bis ihr klar wurde, dass sie ewig hier stehen bleiben würde, wenn sie sich nicht endlich einen Ruck gab. Abgesehen davon begann sie immer heftiger zu frieren. Das alles musste ein Ende finden. Je früher, desto besser.
    Entschlossen überquerte sie die Straße, trat vor die Haustür und blieb vor dem Klingelbrett stehen. Der Reihe nach ging sie die kleinen Messingschilder durch, bis ihr Blick an einer Klingel hängen blieb, über der statt des gravierten Namens nur ein Aufkleber hing, dessen Ecken sich bereits ablösten.
    J. S. stand dort. Das konnte nur er sein! Alessa drückte den Klingelknopf und wartete, zählte langsam bis zehn, um sich zu beruhigen – und um zu sehen, wie viel Zeit verging. Als nichts geschah, zählte sie weiter bis zwanzig, dann bis
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