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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin
Autoren: Brigitte Melzer
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rühren.
    Wenn sie es ins Schlafzimmer schaffte, während er ihr das Getränk brachte – falls er das überhaupt vorhatte –, dann konnte sie sich dort einsperren. Logan hatte eine Pistole in seiner Kommode. Sie brauchte also bloß kehrtzumachen und ins Schlafzimmer zu gehen, als sei nichts gewesen.
    Dummerweise war das nicht so einfach, wie es sein sollte.
    Ihre Hände zitterten und ihre Beine versagten den Dienst. Wie gelähmt stand sie da, den Blick ebenso krampfhaft von Avery fernhaltend, wie sie sich bemühte, nicht darüber nachzudenken, ob er tot war.
    Endlich gelang es ihr, sich umzudrehen.
    Sie unterdrückte den nahezu unwiderstehlichen Drang, auf der Stelle loszurennen und sich im Schlafzimmer zu verschanzen. Er würde sie einholen, bevor sie auch nur die Schwelle erreicht hätte.
    Die Augen starr auf die rettende Tür gerichtet setzte sie sich in Bewegung.
    Bleib ruhig und atme!
    Sie holte tief Luft und zählte ihre Schritte.
    Eins.
    In ihrem Rücken knarrten die Dielen.
    Geh und hol mir das Wasser!
    Zwei.
    Wenn Avery nicht tot war, würde er hoffentlich rechtzeitig zu sich kommen, um ihr zu helfen.
    Drei.
    »Schade.« Die Stimme des Polizisten erklang so dicht hinter ihr, dass sein heißer Atem ihren Hals streifte. Alessa zuckte erschrocken zusammen und blieb wie angewurzelt stehen. Sie wusste, sie sollte weitergehen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr.
    »Was?«, presste sie hervor, ohne sich umzudrehen.
    »Logan zuliebe wollte ich es schnell erledigen«, sagte er ruhig und legte ihr eine Hand auf die Schulter, als wäre er ein guter Freund, der nur das Beste für sie im Sinn hatte. »Ich hätte gewartet, bis Sie schlafen. Sie hätten es nicht einmal bemerkt.«
    »Was haben Sie mit Avery gemacht?«
    Alessa konnte spüren, wie er die Schultern zuckte, die Bewegung übertrug sich durch seinen Arm auf sie. »Ich glaube, Logan ist sich nicht einmal bewusst, wie scharf seine Küchenmesser sind.«
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie kannte Avery erst seit gestern, trotzdem war er bereit gewesen, sein Leben für sie zu riskieren. Eine Hilfsbereitschaft, die er teuer bezahlt hatte.
    »Warum tun Sie das?«
    »Ihr habt mir meine Frau und mein Kind genommen.« Die Gelassenheit in seiner Stimme war einer tiefen Verbitterung gewichen. Er zischte die Worte hervor, kleine Speicheltröpfchen spritzten aus seinem Mund und benetzten Alessas Wange. »An ihrem Grab habe ich geschworen, dass ich jede von euch mörderischen Kreaturen jagen und ausmerzen werde. Ihr werdet niemandem mehr die Familie nehmen. Niemals wieder!«
    Alessa wusste von Logan, welches Schicksal der Frau des Polizisten widerfahren war, und sie bedauerte es zutiefst. Sie konnte seinen Hass sogar verstehen, doch das rechtfertigte noch lange keine Morde! Nicht an ihresgleichen und schon gar nicht an guten Menschen, wie Avery einer gewesen war.
    »Es muss schrecklich für Sie gewesen sein«, sagte sie unter Tränen und meinte jedes Wort ernst, »und es tut mir leid, was Ihrer Frau zugestoßen ist, aber –«
    »Meiner Frau und meinem Kind«, unterbrach er sie scharf. »Sie wissen nicht das Geringste! Sie haben keine Ahnung, wie lang und dunkel die Nächte sein können, wenn niemand mehr da ist.«
    Das wusste sie durchaus – wenn auch aus anderen Gründen.
    Seine Hand klammerte sich fester um ihre Schulter. Zielsicher gruben sich seine Finger in die Stelle, unter der sich der Dämon verbarg, bohrten sich in die kaum verheilten Wunden, die das Skalpell in ihrem Fleisch hinterlassen hatte, bis Alessa vor Schmerz aufschrie.
    Er lockerte seinen Griff nicht.
    »Ich tue das Logan nicht gern an.« Er hatte seine Gelassenheit zurückgewonnen und sprach nun wieder in einer Ruhe, als wolle er lediglich die Einkaufsliste fürs Wochenende mit ihr durchgehen. »Vielleicht kann ich ihm danach nie wieder in die Augen sehen.«
    Vielleicht?!
    »Es ist tatsächlich nichts Persönliches«, fuhr er ohne Unterbrechung fort. »Unter anderen Umständen hätte ich Sie vermutlich sogar gemocht.«
    Alessa spürte eine Bewegung in ihrem Rücken und wusste, dass er seine Waffe zog. Dieselbe Waffe, die er schon zweimal auf sie gerichtet hatte, zuletzt in ihrer Wohnung. Zu wissen, dass er es war, der den Professor und beinahe auch Parker und Kent umgebracht hatte, und ihm – sobald sie sich umdrehte – ohne die Sturmhaube in die kalten Augen zu sehen, war beinahe noch erschreckender, als in sein maskiertes Gesicht zu blicken.
    Ohne ihre Schulter loszulassen, presste er ihr
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