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Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Titel: Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Autoren: Tobias O. Meißner
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dieser Text, fragte sich Adain. Auf die Vergangenheit? Auf die Gegenwart? Oder vielleicht sogar auf die Zukunft oder auf eine mögliche Zukunft?
    Zeit.
    Zeit verlor sich.
    Adain litt weder Hunger noch Durst. Ganz am Anfang, kurz nach dem ungestümen Ausbruch der Hunderttausend, hatte er sich noch Sorgen gemacht, denn König Orison höchstpersönlich hatte sich hier unten herumgetrieben und alles zusammengerafft, was sich an Lebenskraft und somit an Nahrung in der Höhle verfangen hatte. Nachdem Orison gegangen und aufgestiegen war, lag die Höhle leer. Einst war sie ein unendlicher Mahlstrom gewesen, ein mit wirbelnden Dämonen gefüllter Abgrund. Dann war sie still und hohl geworden, und Adain hatte den Hunger gefürchtet, bevor er begriff, dass er die Lebenskraft gar nicht mehr benötigte. Die Lebenskraft war freigesetzt worden wie die Dämonen auch. Die Lebenskraft war nun überall, in jedem Atemzug, den Adain tat, in jedem vielfach gebrochenen Lichtstrahl, der zu ihm nach unten fand, und in jedem abgehackten Echo, das seine nackten Schritte an die blanken Wände warfen.
    Die Lebenskraft war das Dasein selbst. Das, was einen Menschen oder einen Dämon oder ein Tier oder eine Pflanze von einem Stein oder einem Sandkorn unterschied.
    Adain brauchte nichts zu fürchten. Er brauchte keine Gier, um lebendig zu bleiben.
    Er konnte die Zeit verstreichen lassen.
    Und Zeit, Zeit, Zeit verfloss.
    Ihn trieb nichts nach droben, nach draußen. Dort war doch ohnehin nichts mehr. Die Finsternis löste sich auf wie ein Albdruck und ließ nichts zurück außer Leere.
    Manchmal jedoch lauschte Adain dennoch. Wenn die Stunden sich dehnten und ihm die Augen schmerzten vom Lesen in völliger Dunkelheit. Dann konnte er die Last von Gebäuden spüren und Unbeträchtlichkeiten, die sich in diesen Gebäuden regten. Insekten. Die winzigen Verwandten jener schrecklichen Rekamelkish , mit denen die Menschen sich verbündet hatten, um dem Heer der Dämonen entgegentreten zu können.
    Adain gewann den Eindruck, ein paar Städte hätten das Ende überstanden. Im Windschatten zweier unterschiedlicher Gebirge war die rasende Vernichtung vorübergezogen an Aztreb und Icrivavez, an Tjetdrias, Cerru, Kirred und Witercarz. Aber selbst diese Städte standen weitestgehend ausgeschabt. Der Krieg hatte sie ihrer Bevölkerung beraubt. Es gab nur noch Insekten dort, zurückgelassenes Nutzvieh, den einen oder anderen freien Vogel – aber keine Menschen mehr und auch keine Dämonen.
    Das änderte sich mit der Zeit.
    Flüchtlinge, die sich vor dem furchtbaren, unüberschaubaren Krieg auf die See zurückgezogen hatten in Booten, auf Flößen und auf improvisierten Konstruktionen, die aus mehreren Booten große Flöße gemacht hatten und aus mehreren Flößen große Boote, kehrten wieder in das nun still gewordene Land und nahmen sich die fünf Küstenstädte zurück: Aztreb und Icrivavez im Süden sowie Tjetdrias, Cerru und Kirred im Osten. Nach Witercarz landeinwärts jedoch wagte sich niemand. Witercarz war dem Ursprung des Endes, der Senke von Zegwicu, zu nahe. Aber selbst in Witercarz regte sich etwas – Adain konnte es rascheln hören, wenn er ein Ohr auf den Boden presste. Es mochte ein paar überlebende Menschen gegeben haben, die in den Katakomben der von Felsen umgebenen Stadt die Angriffe des Dämonenheeres überdauert hatten. Oder es waren Dämonen, die sich zum Zeitpunkt des Endes tief unter der Erde befunden hatten, um zu plündern oder um Bodenschätze aus Gestein zu reißen. Adain wusste es nicht, und anfangs war sein Interesse für diese Vorgänge auch äußerst gering.
    Zeit verströmte sich.
    Jahre.
    Etliche Jahre.
    Adain formte seinen Körper um, einfach nur, weil er dies aus den Zeichnungen an den Wänden gelernt hatte. Er begriff noch nicht ganz, ob all die hunderttausend Dämonen, die dem Schlund entstiegen waren, ihre vielgestaltigen Umrisse und Ausprägungen dem König Orison verdankten oder ob sie – wie Adain das eigentlich für sich selbst in Anspruch genommen hatte – einen eigenen Willen bekundeten, indem sie zu Fleisch wurden. Aber auch das erschien ihm im Nachhinein unwichtig, denn die anderen waren alle tot. Orison selbst war tot. Orison war gestorben, zu Licht zerflossen . Und wiederauferstanden . Wiederauferstanden, wirklich? Wann? Und – wenn überhaupt – in welcher Form?
    Adain trug Erinnerungen in sich an frühere Daseinsformen als Wurm, als Vogel und als Katze. Vor langer Zeit, noch bevor Orison alle Dämonen in den
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