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Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis

Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis

Titel: Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
Autoren: Tobias O. Meissner
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eigentlich alles nur nach Regen und Nässe hätte riechen dürfen. Im Hintergrund der Berge vermeinte Dirgin Kresterfell, einen Geysir aufsteigen und wieder in sich zusammenfallen zu sehen. Geister von Gespenstern. Das Land ein Trugbild im wirbelnden Grau des vielfach gebrochenen Himmelslichtes.
    Er erreichte das geborstene Seil. Von hier aus waren es nur noch wenige Schritte, zehn oder elf, bis an den Rand des Abgrundes. Schon vermeinte er das Rumoren des Seelenmahlstroms zu hören, der dort unaufhörlich in der Tiefe kreiste. Erst zweimal in seinem Leben hatte Dirgin Kresterfell es gewagt, dort hinabzublicken. Einmal als Knabe, der an der Hand seiner Mutter das Fürchten noch nicht erlernt hatte, und ein zweites Mal nach dem Krieg, als er hierhergekommen war, um ein Opferzu bringen, und als er dem prüfenden Blick des Abgrunds beinahe triumphierend standgehalten hatte, weil doch das Menschengeschlecht ebenfalls am Abgrund gestanden und überdauert hatte, die dunkelste Stunde durchschritten, die Gottlosigkeit und Götzendienerei nur noch Erinnerung.
    Jetzt, im tosenden Wüten des Windes, fürchtete sich Dirgin Kresterfell plötzlich vor dem Abgrund. Er konnte die Tiefe nicht sehen, stellte sich aber vor, dass sie bei diesem Wetter aufgewühlter sein müsse als sonst. Ein ruheloses Spiegelbild des Wolkentreibens. Auch war das Seil gerissen, und es lag nun kein Schutz mehr zwischen ihm und dem Schlund, und obwohl er schon zweimal in seinem Leben das Seil gequert hatte, um direkt an den Abgrund zu treten, kam ihm seine Lage jetzt ungewöhnlich beunruhigend, geradezu schwindelerregend vor. Vielleicht war auch sein Gemüt in diesen Augenblicken nur ein ruheloses Spiegelbild des Wolkentreibens.
    Er nahm die beiden gerissenen Seilstücke auf.
    Sie waren nicht gerissen.
    Sie waren durchgehauen worden, mit einer nicht ganz scharfen Klinge.
    Aber hier war doch niemand! So weit seine Augen reichten, konnte Dirgin Kresterfell nichts anderes erkennen als Felsen, Regen, Wolkenschlieren und das grauenerregende Loch.
    Und dann stand plötzlich dieses Ding neben ihm.
    Es war nackt, mit rötlich schimmerndem Fell bedeckt, hatte den Körperbau eines schlanken, hochgewachsenen Mannes, den Kopf eines schlappohrigen Hundes und stand aufrecht auf zwei Beinen, sodass es Dirgin Kresterfell um gut eine Elle überragte. Es schien zu grinsen.Aus seinem zahnbewehrten Lächeln troffen Geifer und Regen.
    »Entschuldigt, guter Mann«, sagte das Tier, »habt Ihr vielleicht eine Seele übrig für einen armen Vagabunden?«
    Dirgin Kresterfell konnte es nicht verhindern: Er machte sich gründlich in die Hose. Der Schrecken ließ ihm schier die Haare zu Berge stehen. Breitbeinig begann er zu rennen, japsende Geräusche ausstoßend, der schwankenden Kapelle und dem sich jetzt wie tollwütig gebärdenden Maultier entgegen.
    Um das rote Tier herum begann der Kraterrand zu brodeln. Hunderte, Tausende von Armen, Krallen, Fühlern, Tentakeln, Greifzangen, Insektenbeinen, Flossen, Gallertklumpen, Tasthärchen, Saugnapffingern, Stielaugen, Pfoten, Tatzen, Hufen, Hautflügeln und Hakenhände tasteten sich über den Rand in die Höhe.
    Der hundeartige Dämon stützte die Arme in die Seiten und lachte zurückgebeugt aus vollem Hals. Neben ihm schwang sich mühsam ein dunkles Wesen in die Höhe, das gepanzert war wie ein Käfer, aber drei aus Fett bestehende männliche Gesichter besaß. »Warum bist du schon wieder VORNEWEGGEPRESCHT, Orogontorogon?«, tadelte der Käfer, der den Hundeartigen an Körpergröße noch überragte. »Orison hat MIR die Führung unseres Feldzuges übertragen!«
    »Blas dich nicht so auf, Culcah«, entgegnete Orogontorogon respektlos. »Hast erst vor kurzer Zeit den Weg in den Dämonenrat gefunden und musst dich schon aufspielen, nur weil du besser katzbuckeln kannst als ich.«
    Culcah blieb ruhig. »Tu, was du willst, wenn du dich nicht BEHERRSCHEN kannst. Aber Orison hat RECHT.Gäus und Irathindur sind hier draußen GESTORBEN. Die Menschen MÜSSEN also über die Fähigkeit verfügen, einem Dämon das Leben zu rauben. Wenn wir einfach nur Hals über Kopf hinausstürmen in die Welt, wird dies unser UNTERGANG sein.«
    Orogontorogon missfiel die Art, wie die drei Gesichter Culcahs sich beim Sprechen abwechselten. Er schüttelte sich im Regen. Der Ausbruch sämtlicher Dämonen sorgte unterdessen am Rand des Schlunds für ein gehöriges Spektakel. »Der dort«, sagte er mit breitgezogenen Lefzen und deutete auf den rennenden Dirgin
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