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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung
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die von Steinmann verstoßen und dann von seinem Bruder Wassermann zur Frau genommen worden war. Beide Frauen beneideten ihre Männer um deren Freiheiten und wünschten, sie könnten auch draußen in der Welt herumlaufen, lieben, wen sie wollten, und tun, wonach ihnen der Sinn stand. Also gab Krummling jeder von beiden einen Trank, damit sie ihn ihrem Gemahl in den Weinbecher schüttete, und erklärte dazu: ›Davon werden eure Männer die ganze Nacht schlafen, ohne auch nur ein einziges Mal aufzuwachen. Und während sie in tiefem Schlaf liegen, könnt ihr tun, was euch beliebt.‹
    Nacht und Mondfrau freuten sich über Krummlings Geschenk und versprachen, es noch am selben Abend zu benutzen.
    Der dritte Bruder, der kalte, harte Steinmann, hatte Krummlings Mutter Blume — Zoria, wie ihr sagt — gefunden, als sie nach dem Ende des Krieges allein und verloren umherirrte. Er hatte sie mitgenommen, um sie zu seiner Frau zu machen, und seine bisherige Gemahlin Mondfrau in die Welt hinausgejagt. Steinmann hatte Krummlings Mutter einen neuen Namen gegeben, Helle Morgenröte, doch obwohl er sie mit Gold und Edelsteinen und anderen Gaben der schwarzen Erde schmückte, lächelte sie nie und sprach auch nicht, sondern saß immer nur da wie eine der Toten, über die Steinmann auf seinem dunklen Thron herrschte. Also ging Krummling jetzt im Dunkeln zu seiner Mutter und erzählte ihr von seinem Plan. Er musste nicht lügen, nicht vor ihr, die sie hatte mit ansehen müssen, wie ihr Gemahl getötet, ihr Sohn gepeinigt und ihre Familie verbannt wurde. Als er ihr den Trank gab, sagte sie immer noch nichts und lächelte auch nicht, küsste Krummling aber mit ihren kalten Lippen aufs Haupt, ehe sie sich abwandte und wieder in den endlosen Gängen von Steinmanns Haus verschwand. Nur ein einziges Mal noch sollte Krummling sie wiedersehen.
    Als alles eingeleitet war, ging Krummling zuerst zu Wassermanns Haus tief drunten im Meer. Er reiste durch die Lande seiner Urgroßmutter Leere, wie sie es ihm beigebracht hatte, damit ihn niemand in Wassermanns Haus kommen sähe. Krummling glitt an den Wölfen des Meeres vorbei wie eine kalte Strömung, und wenn sie auch ahnten, dass er in der Nähe war, vermochten sie ihn doch nicht
zu
packen und mit ihren scharfen Zähnen in Stücke
zu
reißen. Ebenso wenig konnten ihn die Giftquallen stechen — Krummling schlüpfte zwischen ihnen hindurch, als wären sie nur Seerosen.
    Als er schließlich Wassermann in dessen Gemach fand, von dem Trank, den ihm Mondfrau verabreicht hatte, in tiefem Betäubungsschlaf da hielt Krummling inne, denn ihn überkam ein sonderbares Zögern. Wassermann hatte nicht mitgetan, als die anderen beiden Brüder Krummling gepeinigt hatten, und Krummling hasste ihn nicht so sehr wie Himmelsmann und Steinmann. Aber Wassermann hatte Krieg gegen Krummlings Familie geführt. Er hatte mitgeholfen, Krummlings Mutter
zur
Witwe zu machen, und hatte gemeinsam mit seinen Brüdern Krummlings restliche Sippe in den Himmel verbannt. Und außerdem würde, solange Wassermann auf Erden wandelte, das Blut von Feuchtes Sippe, Krummlings Feinden, fortleben. Also bestand Krummlings Gnade darin, dass er Wassermann nicht weckte, damit er seinem Los ins Auge sähe, sondern einfach nur eine Tür
zu
einem Teil von Leeres Landen öffnete, wo niemand je gewesen war, einem geheimen Ort, den selbst seine Urgroßmutter vergessen hatte, und den schlafenden Wassermann da hindurchstieß. Als Erivor der Wassermann aus der Welt verschwunden war, machte Krummling die Tür wieder zu.
    Er verließ das unterseeische Haus auf seinen geheimen Wegen und überlegte, ob er sich Himmelsmann oder Steinmann als nächsten vornehmen sollte. Von den drei Brüdern war Himmelsmann der stärkste und grausamste, und er hatte sich zum Herrn aller Götter gemacht. Er herrschte in seinem Palast auf dem Berg namens Xandos — Stab —, und dieser Götterhof schützte ihn wirksamer als alle Mauern. Seine Söhne Jägersmann, Reitersmann und Schildträger waren fast so stark wie er, und auch seine Töchter Weisheit und Wildnis konnten fast jeden Krieger besiegen, erst recht aber einen Krüppel wie Krummling. Insofern wäre es sinnvoll gewesen, Himmelsmann in seiner gewaltigen Festung als Letzten anzugreifen.
    Aber tatsächlich war es der kalte, stumme Steinmann und nicht sein zorniger Bruder, den Krummling am meisten fürchtete.
    Also reiste er auf Leeres Wegen zum Berg Stab, und Feuchtes gesamte Sippe fühlte seine Gegenwart, vermochte ihn
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