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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau
Autoren: Kim Smage
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sind im ganzen Zimmer zu hören. Ansonsten herrscht tiefe Stille, die berühmte Stecknadel würde sich anhören wie ein gediegenes Erdbeben.
    »Der Fahrer«, fragt Sundt, »habt ihr den Fahrer festgenommen?« Eine überflüssige Frage, natürlich hat der Kollege aus Koppang sich den Fahrer geschnappt. Und das Gewehr.
    »Das war unter dem Sitz festgeklebt, wir mussten diesen seltsamen Transport doch genau durchsuchen.«
    »Kaliber«, fragt Sundt.
    »Mauser 6,5«, lautet die Antwort. »Aber sie sagt, sie habe einen Waffenschein.«
    Sie! Es ist also eine Sie. Anne-kin springt so plötzlich auf, dass dabei ihr Stuhl umkippt.
    »Inger Andresen«, sagt sie atemlos. »Es ist Frau Ljaam. Oder nicht?«
    »Wagenpapiere und Führerschein sind auf den Namen Inger Andresen ausgestellt«, hört sie den Kollegen sagen. »Und mehr will sie nicht verraten, sie behauptet, die Frauen, die wir gefunden haben, müssten sich in den Wagen eingeschmuggelt haben, sie habe nur zwei Pferde zu einem Rennen nach Bjerke bringen sollen. Ich habe das überprüft, und zu dem angegebenen Datum findet wirklich ein Rennen statt. Zu dem die Pferde angemeldet sind. Ganz zum Schluss der Anmeldefrist.« Der Kollege ist schnell, denkt Anne-kin, meine Güte, der war vielleicht schnell. Und wenn Sundt nicht gerade sagt, »steckt sie in eine Zelle«, so sagt er doch etwas Ähnliches.
    »Dürfte sich ein armer Dorfpolizist wohl die bescheidene Frage erlauben, worum er hier geht?«, hören sie. »In fünf Minuten haben wir die Lokalpresse hier, und dann müssen wir ja etwas erzählen können. Klar?« Sundt nickt dem Telefon zu, dieses Problem ist ihm vertraut. »Wir haben hier eine Pressekonferenz«, er schaut auf die Uhr, »in fünfzehn Minuten. Dann werden wir mitteilen, dass der Fall ›Containerfrau‹ kurz vor der Auflösung steht. Dass …«
    »O verdammt«, sagt der ferne Kollege. »Darum geht es hier also? Frauen als Handelsware? Euren Fall da oben. Das sind also Russinnen, die Frauen, die wir gefunden haben. Darf ich diese Informationen weiterleiten?«
    »Ja«, sagt Sundt. »Aber erst nach unserer Pressekonferenz um zwölf Uhr. Dann können Lokalzeitungen und Rundfunkstationen alles erfahren. Ich werde euch die Pressemitteilung der Ermittlungsleiterin zufaxen.«

56
    Drei Wochen später spielt sich in der Wohnung von Kommissarin Anne-kin Halvorsen ein Drama ab. Auf dem Sofa sitzt ein graues und verhärmtes Frauenzimmer, dem die Tränen übers Gesicht strömen. Ihr gegenüber sitzt eine ältere Frau mit stahlgrauen Haaren und blitzenden Augen. Ihr Mund ist missmutig verzogen. Und auf dem Tisch befinden sich zwei Kaffeetassen und ein Stapel Waffeln mit Marmelade. Es sieht fast aus wie ein Kaffeeklatsch, so unter Nachbarinnen.
    »Hören Sie auf zu weinen«, sagt die Ältere. »Tränen helfen hier nicht weiter.«
    Anne-kin Halvorsen schluchzt, putzt sich mit der Serviette die Nase und schaut rotäugig und verheult ihre Nachbarin an, Frau Rakel A. Steen.
    »Wie können die nur«, sagt sie. »Wie zum Teufel können die das tun. Irina, den ›Spatz‹ aus Norwegen wegschicken. In irgendeine beschissene psychiatrische Klinik in Murmansk! Sie in ein Leben zurückschicken, das kein Leben ist … warum kann sie … was ist bloß los mit uns … die Kleine hat doch genug gelitten … ich kann die Vorstellung nicht ertragen …« Sie wirft sich über die Sofakissen und weint wieder los.
    »Kommt nicht in Frage«, hört sie. Eine sanfte Frauenstimme mit Stahlkanten sitzt ihr gegenüber und sagt: »Das kommt nicht in Frage.«
    »Wenn Sie aufhören könnten zu weinen, Kommissarin Halvorsen, dann könnte ich Ihnen erzählen, was ich in letzter Zeit unternommen habe.« Anne-kin setzt sich auf, schaut ihre Nachbarin an.
    »Ich mag zwar eine pensionierte Missionarin sein, wie Sie mich vermutlich nennen, aber ich habe noch immer meine Beziehungen. Und meine Prinzipien. Und es gefällt mir gar nicht«, sie hebt einen Zeigefinger, »es gefällt mir gar nicht, wenn die Schwächsten leiden müssen. Der Heiland hat gesagt …«
    Anne-kin steht auf, hält sich die Ohren zu, geht ins Badezimmer und spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht. »Es gefällt mir nicht«, ihre Nachbarin ist ihr gefolgt, steht jetzt hinter ihr und lässt ihrem Wortstrom freien Lauf. »Und deshalb habe ich alle meine Beziehungen aktiviert und das sind nicht wenige, kann ich Ihnen sagen, hier auf Lokalebene und ja, sogar im Parlament, wo wir eine Opposition gebildet haben! Weil das Schussopfer hier, die, die
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