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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau
Autoren: Kim Smage
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ab, sondern findet seine Körpersprache interessant. Seine mitteilsame Haltung. Sundt hat noch mehr auf Lager. Nach allen weniger wesentlichen Informationen hat der Mann noch mehr auf Lager, da ist sie sich sicher. Und richtig. Er erwähnt einen Namen.
    »Victor Bussni«, sagt Sundt. »Einer der beiden, die in der Wohnung aufgegriffen und hergebracht worden sind, ist der erste Dolmetscher, den wir für Irina Sverdlowska besorgt hatten.« Kommissarin Halvorsen fährt hoch. Starrt ihn aus großen Augen an.
    »Der Erste, den sie abgewiesen hat«, sagt Sundt.
    »Hast du das gehört, Vang?« Anne-kin versetzt ihrem Kollegen einen Rippenstoß. »Endlich ein bisschen Fleisch auf den Knochen.«
    »Pst!«, flüstert Vang. Sein Adamsapfel wandert auf und nieder.
    »Victor Bussni lebt seit achtzehn Jahren in Norwegen«, sagt Sundt derweil. »Und er wurde von einem Übersetzungsbüro empfohlen, an das wir uns um Rat gewandt hatten. Spricht gut Norwegisch, wurde aber von Irina Sverlowska abgewiesen.« Ja, das ist noch harmlos ausgedrückt, denkt Kommissarin Halvorsen. Ich habe in meinem Bericht geschrieben, dass die Kleine geheult hat: Wrong! Wrong! Wrong! Tell your boss wrong man! Bad, bad man. Business. Wortwörtlich.
    »Als wir das kurze Gespräch, das sie geführt haben, ehe Irina Sverdlowska die Verbindung abbrach, abgespielt und übersetzt hatten, konnten wir nicht feststellen, warum sie solche Angst hatte«, sagt Sundt. »Victor Bussni hat sie nicht bedroht und ihr keine Angebote gemacht. Die andere Dolmetscherin, die Studentin, hat uns ganz normale gängige russische Höflichkeitsfloskeln übersetzt.«
    »Die Dolmetscherin ist keine Russin«, sagt Kommissarin Halvorsen. »Es kann doch subtile Codes geben, eine Botschaft zwischen den Zeilen, die Irina begriffen hat. Die einer Nicht-Russin aber verborgen bleiben. Irina hatte jedenfalls eine Sterbensangst.«
    »Victor Bussni stammt nicht aus Murmansk«, sagt Sundt. »Sondern aus St. Petersburg. Und wenn die Russen einen solchen Subtext für ihre Höflichkeitsphrasen entwickelt haben, dann ist dieses Phänomen einer, die diese Sprache studiert, sicher nicht unbekannt.« Dann wippt er eine Runde auf den Fußballen hin und her, ehe er hinzufügt: »Als Bussni als Dolmetscher abgewiesen wurde, worüber er sich nebenbei bemerkt sehr ärgerte, konnte er mir übrigens erzählen, sie habe ›gesprochen wie eine Hafenratte‹. Und mit dieser Aussage kann die Dolmetscherin gar nichts anfangen.« Genau, denkt Annekin Halvorsen, zwischen dem »Spatz« und Victor Bussni ist etwas vorgefallen.
    »Das Kaliber des Revolvers, den die Streife im Spülkasten entdeckt hat, ist 7.62 mm. Herr Bussni besitzt keinen Waffenschein, jedenfalls keinen norwegischen. Was auf dem russischen Dokument steht, mit dem er herumgewedelt hat, ist uninteressant.« Sundt holt Atem, macht eine kleine Pause, sagt dann:
    »Im Moment versuchen zwei Kollegen sich so viele Informationen wie möglich über diese Inger Andresen, Syst. Consult, zu verschaffen. Das ist die Frau, die die Wohnung gemietet hat.«
    Ein kleines, aber deutlich unzufriedenes Grunzen ist von Kollege Vang zu hören. Er fühlt sich übergangen. Eines Tages werde ich ihn auffordern, eine Detektei zu eröffnen, denkt Anne-kin, damit er wirklich alle Arbeit selber machen kann. Dann könnte er Paare in flagranti knipsen und sich so richtig amüsieren. Kaum hat sie diesen erbaulichen Gedanken gedacht, als einer der Kollegen hereinkommt. In der Hand hält er einige Blätter, die er Sundt überreicht. Und wenn Kommissarin Halvorsen von Lippen ablesen könnte, dann könnte sie das lesen, was niemand hören kann, abgesehen von dem Kollegen, der einen halben Meter von Sundt entfernt steht.
    »Diese Informationen … aus diesem Archiv … hast du die Genehmigung eingeholt … Datenschutz …« Der Kollege kann weder ja noch nein sagen, denn nun dreht Sundt sein Stimmvolumen auf absolut hörbare Stärke hoch:
    »Was zum Teufel«, sagt er, der Mann, der niemals flucht. Und glotzt aus zusammengekniffenen Augen das Papier an. Dann scheint ihm sein Kragen zu eng zu sein, er schiebt einen Finger zwischen Hals und Hemd, reißt einen Knopf los und hat offenbar endlich Luft genug.
    Ich falle in Ohnmacht, denkt Anne-kin Halvorsen. Wenn diese Trantüte von Chef nicht bald losflucht, dann falle ich in Ohnmacht.
    »Frau Inger Andresen, Mieterin der vorhin erwähnten Wohnung, Firma Syst. Consult.« Er holt Luft.
    Nein, fleht Kommissarin Halvorsen. Bitte, sag nicht, dass sie
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