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Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition)

Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition)

Titel: Die Chroniken von Gonran 1: Stärke oder Tod (German Edition)
Autoren: Andreas Pauli
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seinem Leben seinen Augen nicht. Marcy schrie: „Tu doch was, du Dummkopf!“
    Aufgeweckt durch ihre Schreie rannte er auf sie los und sprang sie von der Seite an, sodass beide außerhalb der Reichweite des Blitzes zu Fall kamen.
    Die blau-weißen Blitze schossen nun zwar nicht mehr aus dem silbernen Umschlag, aber Pete hatte ein anderes großes Problem: Er lag mit seinem Kopf direkt auf Marcys mit Kaffee durchtränkter Bluse auf ihrem Bauch.
    „Runter mit dir, du Tollpatsch!“, schrie sie ihn an und schlug ihm mit der offenen Hand auf seinen Hinterkopf.
    Erschrocken sprang er von ihr auf, ging ein paar Schritte zurück und stolperte über ihre Füße. Wieder landete er mit dem Rücken auf dem Boden. Er erwartete, dass nun das Unausweichliche geschehen würde: Marcys Strafe, oder wohl eher Rache, würde bitter ausfallen.
    Marcy rappelte sich langsam hoch auf ihre Beine und sie starrte auf ihre mit Ruß geschwärzte rechte Hand. Ihre Haare standen ihr zu Berge und ihre Augen, groß und rot wie Tomaten, sprangen ihr förmlich aus dem Kopf. Ihre Bluse klebte mit dem riesigen braunen Kaffeefleck auf ihrem monströsen runden Bauch. Pete hatte Marcy in all den Jahren noch nie so hilflos vor sich gesehen. Obwohl sie ihm nun etwas leidtat, konnte er sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.
    Da kam Marcy langsam, Schritt für Schritt, auf ihn zu. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen und zeigte mit ihren schwarzen Würstchenfingern auf Petes Hand, mit der er sich am Boden abstützte. Aus ihrem Mund kam nur ein Piepsen und Krächzen hervor. Pete musste abermals grinsen, dann schaute er zu seiner Hand.
    Er zog sie sofort zurück und ein kalter Schauer schoss ihm den Rücken hinunter. Er hatte seine Hand die ganze Zeit auf dem silbernen Umschlag gehalten, ohne auch nur das Geringste zu spüren geschweige denn von einem Blitz getroffen zu werden wie Marcy.
    Erstaunt schaute er nochmals Marcys Hand an, die immer noch schwarze Rußspuren aufwies. Hastig wanderte sein Blick wieder zum silbernen Umschlag. Mit ausgestreckter rechter Hand kroch er langsam näher. Nichts geschah, kein Blitz, kein Funke. Er nahm all seinen Mut zusammen und legte mit angehaltenem Atem vorsichtig seine Hand auf den Umschlag.
    Nichts.
    Erstaunlich, dachte er, denn der Umschlag schien auf seine Berührung gar nicht zu reagieren. Hingegen war Marcy gerade vorhin förmlich gegrillt worden.
    „Eigenartig“, murmelte Pete. Beherzt schnappte er sich den Umschlag mit festem Griff und hielt ihn mit beiden Händen auf seiner schmalen Brust fest. Mit entschlossenem Blick schaute er nun Marcy direkt in die Augen. Mit neuem Selbstvertrauen sprang er auf beide Beine.
    „Dieser Umschlag gehört mir, Miss Morgan!“, entgegnete er Marcy mit entschlossener Stimme. Dies war das erste Mal, dass er, Pete Powell, keine Angst vor Marcy hatte. Wer auch immer ihm diesen Umschlag zugesandt hatte, meinte es bestimmt nur gut mit ihm.
    Marcy starrte ihn völlig ratlos an: „Dann … dann nimm das Ding doch und geh mir von jetzt an aus dem Weg! Ja, am besten verschwindest du gleich ganz von hier, du überflüssiges, dummes Kind!“
    Pete schaute Marcy immer noch in die Augen, doch langsam senkte sich sein Blick und wanderte zu Boden, wo er nur noch die Pflastersteine anstarrte. Obwohl er Marcy nicht mochte, ja sie oft sogar hasste, hier war der einzige Platz, wo er bisher aufgenommen worden war. Dies war sein Zuhause. Und dennoch hatte sie ihm gerade zum ersten Mal gesagt, er solle verschwinden. In diesem Moment spürte er, wie dieses letzte Stückchen Halt, den ihm das Waisenhaus gegeben hatte, aus seinem Leben verschwand.
    Dicke Tränen kullerten über sein Gesicht, er drehte sich um und rannte in Windeseile auf sein Zimmer, wo er sich einschloss. Er ließ sich auf sein Bett fallen und weinte all seine Sorgen und Ängste ins Kissen. Dann holte er vorsichtig die Fotos seiner Eltern zu sich ins Bett und schluchzte verzweifelt: „Wo seid ihr? Mutter? Vater? Wo seid ihr bloß, ich brauche euch doch!“
     
     
    Pete blieb den ganzen Tag dem Unterricht von Miss Morgan fern. Er lag verloren, mit Tränen überströmt in seinem Bett und wusste nicht mehr weiter. Bald war es Abend und Pete schlief, mit weißen Salzspuren auf den Wangen von all seinen Kummertränen, in seinen Kleidern ein. Selbst im tiefsten Schlaf hielt er den Umschlag und die Fotos seiner Eltern mit beiden Händen fest umklammert.
     

 
     
     
     
     
     
    2. KAPITEL
     
     
    Als am nächsten Morgen die
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