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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke
Autoren: Ian Banks
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metallgedeckt, die sich einen
verhältnismäßig geraden Weg sowohl durch die Struktur
der Brücke selbst als auch die chaotischen, planlos
hinzugefügten Läden, Cafs und Kioske bahnt, die sich auf
dieser belebten Ebene drängen.
    Die Straße – etwas großspurig ›Boulevard
Königin Margarete‹ genannt – liegt nahe dem
Außenrand der Brücke. Die Gebäude auf der Innenseite
sind Teil des unteren Randes dieses Ziggurats von
Sekundär-Architektur, der sich innerhalb des ursprünglichen
Rahmenwerkes auftürmt. Die Gebäude an der Außenseite
stoßen an die Hauptträger, und die Lücken dazwischen
bieten einen Blick auf Meer und Himmel.
    Lang und eng, weckt die Straße in mir Erinnerungen an alte
Städte, wo sich aufs Geratewohl zusammengewürfelte
Häuser entgegenragen, sich einengend über die Straße
selbst und die schwärmenden Mengen, die sie enthält,
lehnen. Die Szene hier unterscheidet sich gar nicht so sehr davon:
Menschen knuffen sich, gehen, fahren Rad, schieben Kinderwagen,
ziehen Karren, tragen Sänften, mühen sich mit
dreirädrigen Gepäckwagen ab, reden in ihren verschiedenen
Sprachen, sind in Zivil oder Uniform gekleidet und bilden eine dichte
Masse aus wirrer Bewegung, in der Leute in beiden Richtungen
gleichzeitig und noch dazu quer über den Hauptstrom
fließen wie Blutzellen in einer wahnsinnig gewordenen
Arterie.
    Ich stehe auf der erhöhten Plattform vor der
Aufzug-Haltestelle.
    Über den Lärm der wogenden Menge, das ständige
Zischen und Rasseln, Knirschen und Quietschen, Heulen und Pfeifen der
Züge auf dem Deck darunter steigen Schreie wie aus einer
mechanistischen Unterwelt auf, während hin und wieder ein tiefes
Grollen und ein noch tieferes Beben und Rattern ankündigt,
daß irgendwo da unten ein schwerer Zug vorbeifährt.
Große pulsierende Wolken aus weißem Dampf wälzen
sich um die Straße und weiter nach oben.
    Oben, wo der Himmel sein müßte, sind verschwommen die
fernen Träger der hohen Brücke zu sehen. Der aufsteigende
Dampf und Qualm verdunkelt sich, das Tageslicht wird auf dem Weg zu
ihnen abgefangen von ihrem Panzer aus Zimmern und Büros, in
denen es von Menschen wimmelt, und erhellt sie nur matt. So steigen
sie in die Höhe und blicken auf die primitive Ruchlosigkeit
dieser nachträglichen Konstruktionen mit all der Majestät
und der Pracht eines Kathedralendaches herab.
    Ein hektischer Hupchor schwillt von der einen Seite heran. Eine
schwarze Rikscha, gezogen von einem kleinen Jungen, rast durch die
Menge, die sich für sie teilt. Es ist eine Ingenieur-Rikscha.
Nur wichtige Beamte und Kuriere der bedeutenderen Gilden dürfen
Rikschas benutzen, nur begüterten Leuten ist es erlaubt, in
Sänften zu reisen, was allerdings in der Praxis nur wenige tun,
weil Aufzüge und lokale Trambahnen schneller sind. Die einzige
andere Alternative ist das Radfahren, doch da Räder auf der
Brücke besteuert werden, können sich die meisten nur ein
Einrad leisten. Unfälle sind häufig.
    Die Hupsalve, die der Rikscha vorausgeht, kommt von den
Füßen des uniformierten Rikscha-Jungen. In den
Absätzen seiner Schuhe sind Hupen eingebaut. Die Menschen kennen
das Geräusch und sind gewarnt.
    Ich begebe mich in ein Caf, um darüber nachzudenken, was ich
nach dem Lunch tun soll. Ich könnte schwimmen gehen – ein
paar Ebenen unter meinem Apartment gibt es einen sehr hübschen,
nicht überfüllten Pool –, oder ich könnte meinen
Freund Brooke, den Ingenieur, anrufen. Er und seine
Spießgesellen spielen für gewöhnlich des Nachmittags
Karten, wenn ihnen nichts Besseres einfällt. Oder ich
könnte eine lokale Tram nehmen und mich auf die Suche nach neuen
Galerien machen. Seit etwa einer Woche habe ich keine Gemälde
mehr gekauft.
    Eine angenehme Vorfreude erfüllt mich, während ich diese
verschiedenen mir zusagenden Möglichkeiten bedenke, meine Zeit
zu verbringen. Ich verlasse das Caf nach einem Kaffee und einem
Likör und schließe mich dem Gewimmel wieder an.
    Auf dem Rückweg zu meinem Brückenabschnitt werfe ich
beim Überqueren des schmalen Verbindungsbogens eine Münze
aus der Tram. Es ist Tradition, Dinge von der Brücke zu werfen.
Das soll Glück bringen.
     
    Nacht. Hinter mir liegt ein angenehmer Abend, verbracht mit einem
Dinner im Rackets-Club, dann einem Spaziergang zum Hafen hinunter.
Ich bin ein bißchen müde, aber die hohen Yachten, die sich
still in ihrer dunklen Marina wiegten, haben mich auf eine Idee
gebracht.
    Ich strecke mich auf der Chaiselongue in meinem Wohnzimmer
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