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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
Autoren: David Hair
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umstellt, und um Mitternacht stürmten sie es, um alle zu verhaften.
    Was dann geschah, wurde zunächst zur Legende und dann zur geheiligten schriftlichen Überlieferung. Es wurden Lichter gesehen, Stimmen ertönten, und die Soldaten starben auf tausenderlei Arten und bis auf den letzten Mann. Viele von Corins Anhängern ereilte dasselbe Schicksal, auch Corin selbst, der von Selene, seiner Schwester und Geliebten, ermordet wurde. Doch wer überlebte, fand sich für immer verwandelt: Ein jeder von ihnen verfügte fortan über die Macht eines Halbgottes, konnte über Feuer und Sturm gebieten, Felsbrocken schleudern und Blitze lenken. Sie waren die Gesegneten Dreihundert, die ersten Magi.
    Sie entsagten Corins Lehre von Liebe und Frieden und nahmen in einer Orgie der Zerstörung Rache an den Bewohnern der Stadt, die heutzutage namentlich nur noch als »Hort des Bösen« bekannt ist. Als sie begriffen hatten, von welchem Ausmaß die Veränderung war, die mit ihnen geschehen war, verbündeten sie sich mit einem rimonischen Senator und gründeten eine neue Bewegung, die zu einer Armee wurde. Bald hatten sie gelernt, ganze Legionen zu vernichten, ohne dabei selbst nur einen einzigen Mann zu verlieren. Sie löschten die Rimoni aus, machten Rym dem Erdboden gleich und erschufen eine neue Welt, das Rondelmarische Reich.
    Die Dreihundert schrieben ihre Macht Johan Corin zu, nannten ihn Sohn Gottes, der in einem Tauschhandel sein Leben gegeben hatte, um seine Anhänger mit magischen Kräften auszustatten. Und dann machten sie sich daran, die Welt der Sterblichen zu erobern. Jung und allmächtig, wie sie waren, schliefen sie in jedem Land, in das sie kamen, mit wem immer sie wollten. Zunächst war es ihnen egal, dass die Mischlinge, die aus diesen Verbindungen hervorgingen, über weniger Macht verfügten als sie selbst. Doch erst als ihre Nachkommen sich über ganz Yuros verbreiteten und Lehensgüter für sich einforderten, begriffen sie ihre eigene Macht. Sie gründeten Arkana, in denen sie sich gegenseitig unterrichteten, und schließlich eine Kirche und predigten dem Volk fortan ihre eigene Göttlichkeit.
    Und jetzt, fünfhundert Jahre später, trugen Tausende das heilige Blut der Dreihundert in sich: die Magi. Ihre Herrschaft wurde von der kaiserlichen Dynastie weitergetragen, den Nachkommen Sertains, der nach der Verwandlung Corins Platz eingenommen hatte. Und der jetzige Kaiser war Constant Sacrecour. Auch Gyle konnte seinen Stammbaum direkt bis zu den Dreihundert zurückverfolgen. Ich bin von ihrem Blut , dachte er. Ich bin Magus, aber ich bin auch Norer . Er blickte hinüber zu Belonius Vult und dann zu Adamus Crozier, die ebenfalls Magi waren, Herrscher von Urte.
    Adamus deutete auf das Ende des Platzes, als sei er der Zeremonienmeister dieser Darbietung. Eine riesenhafte Statue von Corineus erhob sich dort, die Arme weit ausgebreitet, wie sie ihn am Morgen nach der Verwandlung gefunden hatten: tot, mit dem Dolch seiner Schwester im Herzen. Jeder der Dreihundert hatte behauptet, nach dessen Tod mit Corin gesprochen und Unterweisungen von ihm erhalten zu haben. Manche sagten, sie hätten in Visionen seine Schwester Selene gesehen, wie sie unflätige Worte brüllte. Doch als sie in der Dämmerung zu sich kamen zwischen all den toten Soldaten, sei sie nirgendwo mehr zu finden gewesen. Die Schilderungen der Dreihundert wurden zur heiligen Überlieferung: Johan hatte sie durch die Verwandlung geleitet und war dann von seiner fehlgeleiteten Schwester Selene ermordet worden. Er war der Sohn Gottes, und sie war die Hurenhexe der Verdammnis. Er wurde Corineus der Retter, überall verehrt. Sie wurde Corinea die Verfluchte.
    Auf Brusthöhe der Corineus-Statue erstrahlte schimmernd ein rosig-goldenes Licht. Die Menge hielt vor Anspannung und Ehrfurcht den Atem an, während das Licht immer heller wurde und seinen gleißenden Schein über den Platz ergoss. Gyle sah, wie nicht wenigen Tränen übers Gesicht rannen.
    Innerhalb des Lichtscheins war jetzt eine Silhouette zu erkennen, eine Frau in einem schlichten weißen Gewand, doch der Eindruck trog, denn Adamus flüsterte ihnen zu, dass das Gewand gänzlich aus Diamanten und Perlen bestehe. Langsam betrat sie die Plattform, die aus dem goldenen Dolch bestand, der aus dem Herz der Statue ragte. Sie war die Frau, die am heutigen Tag heiliggesprochen werden sollte.
    Wie aus einer Kehle begann die versammelte Menge zu schluchzen, als würden all ihre Hoffnungen und Träume allein auf ihr
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