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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers
Autoren: Alfredo Colitto
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nicht hinfiel. Das war zwei Jahre her, doch das Gefühl, welches diese unbeabsichtigte Umarmung bei ihm hervorgerufen hatte, regte sich wieder so lebhaft in ihm, dass er den Blick abwenden musste, aus Angst, man könnte es ihm ansehen.
    »Madonna«, begann der Podestà das Gespräch. »Angesichts der Schwere der Lage bin ich persönlich gekommen und habe es für angebracht gehalten, Mondino de’ Liuzzi mitzubringen. Ich wusste nichts von Eurer Feindschaft gegen ihn, davon habe ich gerade erst erfahren. Dennoch …«
    »Bemüht Euch nicht, Messer Tolomei«, unterbrach ihn die Frau anmutig. »Mein Ehemann ist, wie Ihr wisst, heute Morgen in aller Frühe aufgebrochen, um unsere Maulbeerpflanzungen in San Giovanni in Persiceto zu besuchen. Ich habe schon einen Boten nach ihm geschickt, um ihm die Nachricht vom Tod seines Vaters zu überbringen, aber er wird nicht vor heute Nacht nach Hause zurückkehren. Bis dahin bin ich die Herrin dieses Hauses, und ich habe gewiss nicht vor, mich dem Willen des Podestà von Bologna zu widersetzen.«
    Nachdem sie mit dieser kurzen Rede klargestellt hatte, dass die Verantwortung für diesen Besuch allein auf Taverna Tolomei zurückfallen würde, wies sie den Diener an, die Häscher in die Küche zu führen, wo sie sich stärken konnten, und winkte den anderen drei Männern, ihr zu folgen. »Kommt, ich bringe euch zu Bertrandos Arbeitszimmer«, sagte sie. »Dort befindet sich der Leichnam.« Sie wandte sich kurz um. »Oder zumindest, was davon übrig geblieben ist.«
    Sie lief ihnen die Treppe voraus bis in den ersten Stock, wo sie einen langen Flur entlangging, bis sie vor einem bogenförmigen Eingang stehen blieb, der in ein geräumiges Zimmer führte. »Hier ist es«, sagte sie, und ihre Stimme klang plötzlich verändert. »Verzeiht, wenn ich nicht mit euch eintrete. Die Magd, die ihn heute am frühen Morgen gefunden hat, hat sich noch nicht von dem Schrecken erholt, und ich habe bei seinem Anblick ebenfalls aufgeschrien.«
    Sie machte den Weg frei, aber weder der Podestà noch der Capitano del Popolo machten Anstalten, den Raum zu betreten. Schließlich ging Mondino als Erster ins Zimmer.
    Der Anblick, der sich ihm dort darbot, war so unerwartet, dass er zu keiner Reaktion fähig war. Er schrie nicht, er wich auch nicht zurück oder schlug die Hände vors Gesicht. Der Arzt öffnete nur stumm den Mund und spürte, wie seine Knie nachgaben. Er wankte, als hätte ihm jemand einen Schlag versetzt, und rang um Fassung, dann wich er zur Seite, damit die anderen ebenfalls eintreten konnten.
    Während die beiden Würdenträger gleichzeitig einen erstickten Schrei ausstießen, warf Mondino einen flüchtigen Blick auf Eleonora, die im Flur stehen geblieben war. Der Umstand, dass sie bei diesem Anblick nicht ohnmächtig geworden war, verriet eine außergewöhnliche Willenskraft. Er zwang sich, die Augen wieder auf die Leiche zu richten.
    In einer Stille, die nur von dem krächzenden Ruf einer Krähe vom Garten her unterbrochen wurde, betrachteten sie stumm das, was von Bertrando Lamberti geblieben war. Der Mann saß auf einem breiten Lehnstuhl mit einem Rücken aus Leder zwischen dem Kamin und dem Fenster. Der rechte Arm ruhte auf der Seitenlehne. Er war bis zur Schulter vollständig erhalten, aber verkohlt und schwarz wie ein Braten, den man auf der Glut vergessen hatte. Die Füße, die in niedrigen Stiefeln steckten, schienen unversehrt zu sein, doch die weißen, schlaffen Beine des alten Mannes endeten oberhalb der Knie in zwei verkohlten Stümpfen, die an dem Leder klebten, das sich dort, wo es mit der Leiche in Berührung kam, untrennbar mit ihr verbunden hatte. Anstelle der Oberschenkelknochen, des Beckens, der Bauchhöhle und des Brustkorbs sah man nur ein einziges Loch. Die Rippen, Schlüsselbeine und die Gelenke, die die Arme mit den Schultern verbanden, waren verschwunden und zu Asche verbrannt. Die Wirbelsäule war mit dem Leder der Rückenlehne zusammengeschmort, und der Kopf hatte sich in einen grinsenden Totenschädel verwandelt, aus dem nur noch ein einziges Auge leer starrte. Nichts an dieser Ausgeburt der Hölle erinnerte an Bertrando Lamberti, doch die Leiche befand sich in seinem Arbeitszimmer, saß in seinem Lehnstuhl. Er musste es sein.
    Der Capitano del Popolo sog lautstark die Luft ein und durchbrach damit die Stille.
    »Was tut Ihr?«, fragte Mondino, dessen Blick sich kaum von dem Leichnam zu lösen vermochte.
    »Ich versuche zu überprüfen, ob man noch Schwefel
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