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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin
Autoren: Aufbau
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gewinnen. Hawisia würde als Waise aufwachsen. Er würde nach Elias und Alan auch sie umbringen.
    »Catherine!« rief Latimer von draußen. Ein Pferd wieherte.
    |426| Wenn sie leben wollte, blieb ihr nichts, als Courtenay aufzugeben. Sie ließ das Messer los, es fiel zu Boden. Blitzschnell bückte sich der Erzbischof danach. Diesen Augenblick, in dem er sie aus seinem Stahlgriff entlassen hatte, nutzte sie. Mit zwei Schritten war sie beim Fenster.
    Eine feine, kühle Berührung am Hals hielt sie zurück. Courtenay preßte ihr die Klinge an die Kehle. »Mein Kind«, sagte er, »bleib doch.« Langsam, fast zärtlich zog er sie vom Fenster zurück. Er zwang sie, sich neben ihn auf das Bett zu setzen. Dort löste er das Messer von ihrer Haut. »Reden wir ein wenig.«
    Catherine drückte die Lippen aufeinander. Courtenays Hand auf ihrer Schulter brannte wie Feuer.
    »Ich möchte mich bei dir entschuldigen«, sagte er. »Man kann es dir nicht verdenken, daß du vom Wege abgekommen bist. Unterschätzt habe ich dich, ich hätte dich einweihen sollen von Anfang an. Du bist eine kluge Frau.«
    »Tötet mich endlich!«
    »Aber das will ich doch gar nicht. Ich möchte dich gewinnen, aus freien Stücken sollst du dich zu meinen Anhängern gesellen.«
    »Beweist es. Laßt das Messer fallen.«
    Er blickte von ihr zum Messer, vom Messer zu ihr. Schließlich polterte es zu Boden.
    Sie stieß es fort mit dem Fuß. »Und jetzt nehmt Eure Hand von meiner Schulter.«
    Er tat es. »Siehst du? Du bist vollkommen frei. Ich möchte nur, daß du mir zuhörst.« Weich war seine Stimme. »Laß mich dir einige Dinge erklären.«
    Sie würde ihm nicht zuhören. Sie würde nicht zulassen, daß er seine Worte mit Gift bestrich. »Courtenay?«
    »Ja, mein Kind.«
    »Ihr seid Abschaum.« Sie schnellte auf, war mit drei Sätzen beim Fenster. Sprang.

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    |427| 39
    Jedes der vier Karpfenbecken am Flußufer war so groß wie ein See. Weißes Licht glitzerte auf dem Wasser. Der Wind wehte die Schirmchen der Kuhblumen hinein und trieb sie wie kleine Schiffe vor sich her. Von Zeit zu Zeit schnappte ein Karpfenmaul danach.
    Hinter den Gehöften stakten Krähen über die Felder. Sie stocherten mit ihren dicken Schnäbeln im Stroh nach vergessenen Körnern. Schafe blökten.
    Es war der 16. August 1387. Neben verkohlten Wallabschnitten strahlte an der Burg helles, frisches Holz. Gerüste kleideten das Torhaus ein. Im Dorf rings um die Kirche standen weißgedeckte Tische, und Diener in Livreen trugen Speisen auf, die so mancher Gast noch nie im Leben gekostet hatte. Man feierte Hochzeit. Sir John Cheyne war der Bräutigam. Sir John Cheyne schätzte gutes Essen. Er hatte sich entschlossen, in Braybrooke zu heiraten, um, wie er sagte, »diesem Courtenay zu zeigen, daß er keinen Fingerbreit Land gewonnen hat«. Jedermann war fröhlich. Nur Catherine, der Herefords Rettung zu verdanken war, Catherine, die das Mißverständnis mit den Lovetofts aufgeklärt und beseitigt hatte, Catherine saß stumm auf ihrem Platz, verschmähte Wein und Fleisch, Brot und Süßspeise.
    Ein Pfauenbraten prunkte vor ihr auf dem Tisch. Die Köche hatten dem Vogel alle Federn wieder angesteckt, er sah aus wie lebendig, die Schwanzfedern überragten die Hochzeitsgäste. Daneben dampften Schalen mit gedünsteten Austern in Mandelmilch, Gänse in Weintraubensauce, mit Knoblauch gewürzt, geröstetes Schaf in saurer Kirschsauce, Pasteten, Aal, geschmorter Kohl mit Zimt und Gewürznelken. Eine Schüssel Eiercreme war überreich mit Früchten garniert.
    |428| Cheyne, der mit spitzen Fingern ein Granatapfelstück aus der Schale klaubte, lachte plötzlich so heftig, daß ihm die langen schwarzen Haare ins Gesicht fielen. Seine junge Braut hatte ein Huhn auf den Schoß genommen und fütterte es mit Lauchgebäck. Er rief: »Seht euch diese Frau an!« Einige Gäste lachten mit ihm, ein wenig zu laut, und beobachteten ihn dabei aus den Augenwinkeln. Sie hatten von Cheynes Reichtum gehört, natürlich, und suchten sich seine Gunst zu erschleichen.
    Sie saß neben Thomas, der seiner Frau Würzwein nachschenkte und Catherine kaum beachtete. Jetzt beugte er sich zu Lady Anne hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie warf einen flüchtigen Blick auf Catherine, nickte. Thomas wandte sich ihr zu. »Catherine, darf ich dich zu einem kleinen Spaziergang von der Tafel entführen?« Sein Gesicht war ernst.
    Sie sah auf ihren Schoß zu Hawisia. Aber schon streckte Lady Anne die Hände aus: »Gib mir
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