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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin
Autoren: Aufbau
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Zeit abgelaufen. Und doch empfand sie es nicht mehr als Untergang. Es war ein Schlaf, sagte Latimer, ein langer und finsterer Schlaf. Damit wollte sie Frieden schließen. »Ich danke Euch«, sagte sie.
    Sie wendeten und gingen zurück zur Hochzeit.
    Sie begriff, daß es ihr letzter Spaziergang sein sollte. Er hatte gesagt, was er sagen mußte: Daß sie zu gehen hatte nach dem Fest. Jeder Schritt bedeutete Abschied. Warum schwiegen sie? Wie konnten sie die Zeit vergeuden, die geringe Zeit, die ihnen blieb? »Erinnert Ihr Euch«, stammelte sie, »wie Ihr mir im Frühjahr von … von Geheimnissen des Lichts berichtet habt? Ich habe einiges nicht verstanden. Vielleicht wollt Ihr mir etwas davon erklären?«
    »Habe ich dir von Damianus erzählt, dem Sohn des Heliodor von Larissa?«
    »Ich weiß nicht recht. Wer ist das?«
    »Ein Grieche, der irgendwann nach Ptolemäus lebte. Er glaubte noch an die Sehstrahlen und behauptete, daß sich das Licht unendlich schnell bewegt. Die Sonne erreicht uns sofort, wenn eine Wolke sie wieder freigibt. Genauso, meinte Damianus, erreichen auch die Strahlen unserer Augen ohne Verzögerung den Himmel oder was auch immer wir ansehen.«
    »Woher wißt Ihr das? Wer kann diese Geheimnisse kennen?«
    |434| »Ich habe davon gelesen.«
    »Würdet Ihr mich das Lesen lehren?« Sie hatte nicht nachgedacht, bevor sie fragte, und nun, als die Frage zwischen ihnen schwebte, als Catherine sich hätte entschuldigen müssen, da keimte Hoffnung in ihr, daß Thomas Latimer ins Wanken zu bringen war, daß er womöglich darauf verzichten würde, sie fortzuschicken.
    Und er sagte: »Ja, gern.«
    Sie sprachen nicht weiter darüber, wie er das Versprechen einlösen würde. Es war nicht notwendig, darüber zu sprechen, denn plötzlich wußte sie, daß sie sich wiedersehen würden, daß es nur eine Trennung auf Zeit war. Das Wiedersehen mußte für sie großes Unglück bedeuten, und doch war es ein Unglück, das sie herbeisehnte, so wie ein Schwerverwundeter den Tod herbeisehnt.
     
    Braybrooke schien ein idyllischer Ort zu sein, die Art, die der Wanderer in den Midlands für eine Mahlzeit und ein Bettlager auswählt, ein Dorf mit freundlichen Bewohnern. Drei Bussarde kreisten mit ausgebreiteten Schwingen über dem Waldrand. Friedlich wachten sie, ihr Flug war ein Anblick der Ruhe, der Zeitlosigkeit. Auf dem Ast einer blätterlosen, abgestorbenen Ulme schaukelte ein Rabe. Der Wind blies ihm unter die Federn. Schafe grasten: Sie umfaßten das Grün mit den Lippen und rissen es durch ein Kopfnicken ab. Man hörte das Rupfen. Ein Lamm wollte trinken, die Mutter aber graste und wanderte dabei. Es folgte ihr, es versuchte, den Kopf unter das Euter zu schieben. In den Holunderbüschen summten die Hummeln.
     
    Courtenay entließ die Männer aus Kent. »Es geht nicht mit Brechen«, sagte er leise. »Es geht mit Biegen.« Diesmal würde er sie vernichten. Die Bedeckten Ritter hielten sich für die Sieger, sie hatten Doktor Hereford in London gefunden und geraubt. Es war Zeit, daß sie seine, Courtenays, Überlegenheit erkannten. Er hielt die Fäden in der Hand, niemand |435| sonst. »Noch ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt, meine Freunde.« Er trat an den Eichhornkäfig, streckte einen Nußkern auf der Fingerspitze zwischen die Eisenstäbe. Zögerlich näherte sich das neue Jungtier. Es hatte noch kein Vertrauen gefaßt. »Das Lied ist nicht ausgesungen. Die nächste Strophe singe ich, und es wird eine bittere Strophe sein.«

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    |439| DER AUTOR DANKT
    Geoff und Ruth Tiney für die herzliche Aufnahme in Braybrooke und das geduldige Beantworten vieler, vieler Fragen.
     
    Anthony Griffin, der Informationen aus dem Familienarchiv zur Verfügung stellte. Anthony Griffin ist ein direkter Nachfahre von Sir Thomas Latimer.
     
    Tajana Kub. Als dieser Roman noch ein Neugeborenes war, mit rotem, faltigem Gesichtchen, hat sie es gebadet und gewickelt.
     
    Und Kathrin Lange: Sie hat das Neugeborene gefüttert mit der Hingabe, die nur eine Autorenkollegin aufbringen kann.
     
    Julia Waltke für die erste medizinische Untersuchung mit erstklassiger Diagnose.
     
    Last, but not least, Gunnar Cynybulk, meinem Lektor, für den prüfenden Blick des Arztes: Atmung – gut. Puls – gut. Aber was ist mit den Augen? Sieht das Kleine richtig?

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Informationen zum Buch
    "Voller Details, Bilder, Düfte."
    Bild am Sonntag
     
    England im Jahr 1387. Ein verbotenes und doch heiliges Buch, ein
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