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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Willocks
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für ihre Ritterlichkeit, dass die beiden euch der Gesellschaft eines erwiesenen Grobians überlassen haben.«
    »Ich bin nicht in Eurer Gesellschaft.«
    »Dann nehmt meine Einladung an, zu uns an den Tisch zu kommen.« Er lächelte. »Mattias Tannhäuser, Duc de la Penautier, Magistralritter des Ordens vom heiligen Johannes von Jerusalem.«
    Sie antwortete nicht, hatte die Hände aber nicht mehr zu Fäusten geballt.
    »Ich bin seit kaum einer Stunde in dieser Stadt. Bisher waren die Einwohner alles andere als freundlich zu mir.«
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Das wundert mich nicht.«
    Tannhäuser neigte den Kopf und nahm diesen Tadel hin.
    »Jedenfalls entschuldige ich mich für jede Bedrängnis, die ich dir vielleicht verursacht habe.«
    Sie presste die Lippen zusammen, als wäre sie nun über sich selbst mindestens so verärgert wie über ihn. Sie schaute weg und trat zur Seite. Tannhäuser verneigte sich erneut und ging in die Taverne.
    Man hatte auf einer großen Platte die gebratenen Hühner gebracht. Tannhäuser tranchierte sie und bat Grégoire, sich davon auf den Teller zu laden. Der Junge stürzte sich sogleich auf das Essen. Während Tannhäuser aß, grübelte er darüber nach, was als Nächstes zu tun war.
    Eigentlich war er hier, weil die Schwester des Königs, Marguerite Valois, am vergangenen Montag ihren Vetter, Henri Bourbon, den Prinzen von Navarra, geheiratet hatte. Marguerite war katholisch,die Tochter der Catherine de Medici. Catherine war Italienerin, stammte aus einem Volk, das den Franzosen im Allgemeinen verhasst war, und selbst ihre Anhänger schrieben ihr teuflische Kräfte zu. Seit dem Tod ihres Mannes im Jahre 1559 regierte sie das Land. Weil Charles I x., inzwischen zweiundzwanzig, kaum mehr als ein launisches Kind war, tat sie das entgegen den Phantasievorstellungen ihres Sohnes, des Königs, auch jetzt noch.
    Viele waren der Meinung, dass Catherines aufgeklärte Politik der Toleranz gegenüber den Hugenotten drei Bürgerkriege verschuldet hatte. Marguerite und der protestantische Henri waren beide noch keine zwanzig Jahre alt, und ihre Eheschließung zeugte von Catherines neuester Bemühung, den zerbrechlichen Frieden zwischen den katholischen und den hugenottischen Kriegsherren zu festigen. Die Heirat stieß jedoch bei allen Parteien auf Ablehnung, nicht zuletzt bei den Jungvermählten. Viele hugenottische Adelige und die meisten Katholiken in Paris hielten sie für eine Schande.
    Das hatte Tannhäuser auf der Reise nach Norden bereits erfahren.
    Während der nun zu Ende gehenden Woche nach der königlichen Hochzeit waren zur Feier des Ereignisses zahlreiche große Bälle, Lanzenstechen, Märkte und Feste abgehalten worden. In dem Brief, den Tannhäuser vorgefunden hatte, als er von seinen Abenteuern auf See zurückkehrte, hatte Carla ihm mitgeteilt, dass sie »von der Königin« eingeladen worden war, bei der abschließenden Festveranstaltung am Freitag, dem 22. August – also am Abend des Vortags – im Palast des Louvre aufzutreten.
    Carlas Meisterschaft auf der Gambe war für Tannhäuser nichts Neues. Sie hatte ihn mit ihrer Musik in den Bann gezogen, ehe er sie überhaupt zu Gesicht bekommen hatte. Dass ihr Ruhm sich so weit verbreitet hatte, hatte ihn jedoch überrascht. Sie hatte ihm in ihrem Schreiben beteuert, sie würde in Sicherheit sein, denn man hätte eine bewaffnete Eskorte geschickt, um sie nach Paris zu begleiten. Außerdem stand sie unter dem Schutz des einzigen Mannes, von dem Tannhäuser vermutete, dass selbst er ihn im Kampf nicht besiegen könnte, des Serben und früheren Janitscharen Altan Savas. In Carlas Brief waren keine Einzelheiten darüber enthalten, wo sie in der Stadt untergebracht sein würde. Sie hatte ihre Absichtkundgetan, sofort nach der Ankunft in Paris Verbindung mit Orlandu aufzunehmen. Jetzt, da seine Hoffnung, Orlandu zu finden, geschwunden war, blieb ihm nur noch eine Möglichkeit, die er erkunden konnte.
    »Zum Louvre«, sagte er zu Grégoire.
    Grégoire nickte und lächelte.
    Der Gedanke an den Louvre erfreute Tannhäuser keineswegs. Sobald er einmal dort hineingelangt war, würden sich unzählige Menschen, allesamt Meister in der Errichtung von Hindernissen, zwischen ihn und jeden stellen, der etwas über Carlas Aufenthalt wissen konnte.
    Der königliche Haushalt, die Maison du Roi , war ein riesiges und von Schmarotzern durchsetztes Gefolge. Tausende von Würdenträgern in unzähligen verschiedenen Abteilungen
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