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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freund, den er besaß.
    Und wenn man es genau betrachtete, war es heute noch so.
    Jan – der einzige Freund! Mehr noch: der einzige, dem er vertraute …
    Er begann zu sprechen. Er erzählte die ganze Katastrophe seines Auftritts in Stollberg ziemlich knapp und wunderte sich, daß Jan ihn nicht mit Zwischenfragen unterbrach. Er sah ihn nur an. Als Reissner fertig war, beschwerte er sich über seine Tabletten.
    »Für mich sind es die Scheißdinger, die mich derartig in Schwulitäten gebracht haben. Ich habe mehr genommen, als du mir gesagt hast. Fast das Doppelte, Jan … Und bis Nachmittag hielt die Wirkung ja auch an. Aber ausgerechnet dann, als ich sie brauchte, kam die Katastrophe.«
    Jan nickte erneut. Dann widmete er ihm wieder diesen langen, aufmerksamen Blick.
    Reissner spürte die Wärme, die im Nacken hochkroch.
    »Antibiotika nützen hier nicht«, sagte Dr. Herzog schließlich. »Oder nicht länger. Auch wenn wir sie noch so stark dosieren, Dieter, du brauchst was anderes.«
    »Was denn?«
    Wieder zögerte der Arzt. Und wieder schien ihm das Sprechen Mühe zu machen. Und wieder mußte Reissner diesen Blick ertragen.
    »Immunstärkende Mittel. Gammaglobuline, zum Beispiel … Und vor allem Ruhe, Junge. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Viel, viel Ruhe. Der Schwachsinn, in den du dich treiben läßt, der bringt dich noch um.«
    ›Gammaglobuline‹ – das Wort hatte sich in ihm festgehakt, schlimmer noch, es war ihm bekannt, deshalb bekannt, weil es genau in dem Zusammenhang diskutiert wurde, vor dem er sich am meisten fürchtete.
    Hanne … dachte er. Er dachte den Namen völlig sinnlos.
    Und dann dachte er: O nein! Das doch nicht! Gott im Himmel, bitte …
    Er benötigte all seine Kraft für die Frage: »Jan! Hast du die Untersuchungsergebnisse bekommen?«
    Jan Herzog nickte. Fiel ihm heute nichts anderes ein als zu nicken, verdammt noch mal?
    »Und?«
    Jan sagte nichts, aber seine Augen waren plötzlich nah. Er hatte seinen langen Oberkörper weit über den Tisch gebeugt.
    Seine Hand suchte Dieters Hand und hielt sie fest. Dieter spürte den Druck – und wußte alles.
    »Nein!«
    Er spürte wieder, wie sich sein Magen zusammenkrampfte, wie es weiter unten zu wühlen begann und wie die Haut feucht wurde. N EIN – N EIN ! dachte er, schrie es in ihm.
    Er hörte Jan sprechen. Es klang wie von ganz weit her.
    »Ich hab' die ganze verfluchte Praxis deinetwegen leergeschaufelt. Ich hab' sie alle rausgeschmissen. ›Dringender Notfall‹, hab' ich behauptet – und dann auf dich gewartet. Und jetzt hockst du hier … Ich wußte so viele gute Sprüche. Aber mir fällt keiner mehr ein.«
    »Positiv?«
    Jan nickte.
    Sie schwiegen beide.
    Jan hatte in der Praxis doppelverglaste Fenster anbringen lassen, sie waren sein ganzer Stolz, er hatte sie Dieter gezeigt. Aber trotz der ›perfekten Schalldämmung‹ hörte er nun jemand unten auf der Straße lachen. Und dann ein Kind. Es schrie irgend etwas. Und ein Auto schaltete. Er hörte es ganz genau.
    »Du mußt mit Hanne sprechen«, sagte Jan eindringlich. »Und das tust du am besten heute noch. Ich mach' dir einen Vorschlag: Wir setzen uns alle drei zusammen und sprechen die Situation durch.«
    ›Die Situation‹ … Natürlich, was sonst? Es war eine klare, recht leicht objektiv zu betrachtende und nicht einmal seltene Situation. Er war einer unter vielen anderen …
    Aber warum? Wieso trifft es dich? Warum nicht einen anderen? Ausgerechnet du? Der Boden öffnete sich; er fiel, fiel …
    Gottes Auge …
    Plötzlich sah er wieder das Rund des Fernsehobjektivs vor sich, blitzend und kalt, tiefschwarz und böse.
    »Es wäre wirklich das Beste … Und vor allem: Du mußt dich jetzt schonen. Und dann bringen wir dich schon wieder auf die Beine. Keine Frage. Aber wir müssen das gemeinsam tun …«
    Hanne! Nichts war in ihm als der Name.
    Sonderbar, von nun an war es einfach zu sprechen. Er sprach wie nach einem Dialogentwurf. Schließlich – hatte er ein solches Gespräch nicht schon ein dutzendmal vor sich gesehen? Na also! Dich nicht überraschen lassen, von nichts! Und dazu gehörte, die schlimmste Situation vorwegzunehmen und die eigene Reaktion, die dann notwendigen Entschlüsse vorauszuplanen. Klar bleiben. Klar und pragmatisch.
    Eines seiner Karriereprinzipien. Weit hatte er es gebracht!
    »Hanne?« fragte er stockend. »Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß auch sie …«
    Jan legte den Kopf schief. Dann faltete er die Hände, bettete sein Kinn darauf
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