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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia
Autoren: Heinz G. Konsalik
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da so tun? Haben Sie, zum Beispiel, die Sachsen-Stahl-Schließung ganz konsequent durchdacht? Nur ein bißchen wenigstens, statt einfach ja zu sagen und zu tun, was die Herren im Aufsichtsrat so beschließen? – Richtig, eine dumme Frage. Sie haben natürlich nicht. Wie kämen Sie auch dazu? Haben Sie ja nicht nötig, denn ein Scheißkerl wie Sie, der ist sich seiner Sache immer sicher, wenn es der Aufsichtsrat auch ist. Stimmt's? Ich meine, wer da draufgeht, sind ja immer nur die anderen.«
    »Sagen Sie mal, wie können Sie es wagen …«
    »Es sind immer die anderen – sowieso sind die es!« Jetzt schrie er förmlich, merkte es und dämpfte sofort wieder seine Stimme: »Also sind Sie selber schuld, nicht wahr? Jakob, Jakob, es wird Zeit für Sie, mal von Ihrem hohen Roß herunterzusteigen. Sie wissen doch schon längst nicht mehr, was vorgeht. Sie sehen den Boden ja gar nicht! Sie haben längst die Haftung verloren, Sie arrogantes Arschloch! Und deshalb wird's der Gaul nicht mehr lange tun, das garantier' ich Ihnen. Mal abzusteigen … Ja, wie denn? Man ist doch nicht mehr gelenkig. Und man hat seine Prinzipien, stimmt's?«
    »Reissner, ich habe Ihnen Ihren ganzen beruflichen Werdegang ermöglicht. Ich habe immer zu Ihnen gehalten. Jetzt weiß ich, daß es ein Fehler war.«
    »Kann ich mir denken.«
    »Ja, und jetzt weiß ich auch, daß Sie krank sind, Mann.«
    »Richtig getippt, Jakob. Stimmt. Ich bin krank … Vielen Dank übrigens, daß Sie nicht sofort aufgelegt haben. Das gibt mir nämlich die Gelegenheit – schließlich haben Sie recht, wir waren lange genug zusammen –, das gibt mir dann doch die Gelegenheit, Ihnen einen guten Rat zu geben. Und ich meine jetzt nicht den ganzen Scheiß, den Sie in der Firma anrichten. Da gibt's ja noch immer genug Blöde, denen Sie erzählen können, es ginge nur so und nicht anders. Und die dann auch brav ihrer Meinung sind, solange sie das können, bis sie dann endlich rausgeschmissen werden. Aber darum geht's nicht, Jakob, jetzt geht's mir wirklich um Sie. Das können Sie zum Heulen oder zum Lachen finden, mir ist das egal …«
    »Reissner!«
    »Jetzt rede ich. Und es wäre gut, wenn Sie mich ausreden ließen. Gut für Sie, Jakob. Für Ihren verdammten, dämlichen Schädel. Hören Sie immer noch?«
    Atmen. Nichts als schweres Atmen.
    Reissner nahm die Sprechmuschel ganz nah an den Mund: »Jakob, im Ernst: Versuchen Sie mal herauszufinden, warum Sie so sind. Und denken Sie mal darüber nach, was Ihr Leben bisher gewesen ist. Und was jetzt noch davon bleibt. Und ob es sich am Ende gelohnt hat. Lohnt es sich denn wirklich, sich derartig aufzuführen, wie Sie das tun? Denn eines sag' ich Ihnen: Wer am Schluß bezahlt, das sind immer wir selbst …«
    Ganz sachte legte er dann den Hörer auf den Apparat zurück. Und dachte: Aber für dich ist es zu spät. So vieles vorgehabt, so vieles geplant, so vieles erträumt, so vieles, vieles nicht gesehen, nie erlebt … So vieles angefangen und nicht zu Ende geführt …
    So vieles! Und nichts verstanden!
    Das Wichtigste nicht verstanden.
    Als er das Lokal verließ, waren an den Autos die Scheinwerfer eingeschaltet. Die Dämmerung schluckte die Stadt. Auf dem Weg zu seinem Wagen passierte er kleine, enge Straßen. In den Gärten standen noch schöne alte Bäume. Es gab Handwerkerbetriebe, und durch die Scheiben sah man Menschen an der Arbeit. Kinder kamen ihm entgegen, drei junge Mädchen, die sich kichernd an der Hand hielten …
    Er schloß den BMW auf, wendete und nahm die Straße nach Grünwald. Harlaching zog an ihm vorbei. Er warf keinen Blick in die dunkle, von wenigen Lichtern erhellte Villengegend, wo irgendwo sein Haus stand. Die Welt um ihn wurde dunkler und dunkler, die Straße rollte sich unter ihm ab, er schwamm mitten im Verkehr, verlor mehr und mehr Orientierung und Zeitgefühl.
    Nur eines wußte er: Die Zeit würde nicht mehr lange vergehen. Nicht für ihn …
    Die nächsten Stunden versanken für Dieter Reissner wie hinter einem braunen, undurchdringlichen Nebel. Wenig gab es, das in seinem Gedächtnis haften blieb. Daß er am Stehausschank einer Tankstelle in der Gegend von Bad Tölz ein Bier und zwei Wodka trank, dann etwas zu essen bestellte und sich beinahe erbrach, als man ihm den Wurstsalat hinschob. Draußen an seinem Wagen hatte ein frierender junger Mann gestanden, die Fäuste tief in die Taschen seines Parkas geschoben. Auch an sein Gesicht erinnerte er sich: Schmal, jung, irgendwie hungrig. Ob er ihn
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